Mercy Thompson 04 - Zeit der Jäger-retail-ok
schnurrte noch einmal.
»Adam.«
»Ich habe dich angerufen, um dir zu erzählen, dass ich endlich Marsilia persönlich erreicht habe.«
Ich setzte mich auf, plötzlich überhaupt nicht mehr verschlafen. »Und?«
»Ich habe ihr von Blackwood erzählt. Sie hat sich alles angehört, mir für meine Sorge gedankt und aufgelegt.«
»Sie wird kaum am Telefon einen Panikanfall bekommen und schwören, dass ihr von nun an beste Freunde seid, oder?«
»Nein, das glaube ich auch nicht. Aber ich dachte, ich zeige meinen guten Willen und lasse ihre zwei Babyvampire gehen.«
»Außerdem könntest du Jesse, jetzt wo sie weiß, dass sie da sind, nicht mehr von ihnen fernhalten.«
»Dafür nochmal danke.«
»Jederzeit. Geiseln zu nehmen ist was für die Bösen.«
Er lachte wieder, diesmal ein wenig bitter. »Du hast die Guten offenbar noch nicht in Aktion gesehen.«
»Nein«, antwortete ich. »Vielleicht hast du dich auch nur darin geirrt, wer die Guten waren.«
Nach einer langen Pause sagte er mit sanfter, mitternachtsschwerer Stimme: »Vielleicht hast du Recht.«
»Du bist der Gute«, erklärte ich ihm. »Also musst du dich an die ganzen Regeln halten, die für Gute gelten. Glücklicherweise hast du einen außergewöhnlich talentierten und unglaublich begabten Gehilfen …«
»… der sich in einen Kojoten verwandelt.« Ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören.
»Also musst du dir um die Bösen keine großen Sorgen machen.«
Und dann vertieften wir uns in ernsthaftes, das Herz zum Rasen bringendes Flirten. Am Telefon rief Leidenschaft keine Panikattacke hervor.
Irgendwann legte ich auf. Wir mussten beide am Morgen aufstehen, aber das Telefonat hatte dafür gesorgt, dass ich unruhig und überhaupt nicht müde war. Nach ein paar Minuten stand ich auf und schaute mir die Nähte in meinem Gesicht genauer an. Sie waren winzig, ordentlich, einzeln gesetzt und so verknüpft, dass sie nicht zogen, wenn ich mich verwandelte. Man konnte sich darauf verlassen, dass ein Werwolf Nähte setzte, mit denen man auch die Gestalt verändern konnte.
Ich zog mich aus und öffnete meine Schlafzimmertür.
Und als Kojote sprang ich dann durch die neu eingebaute Hundeklappe und lief in die Nacht hinaus.
Ich brachte ein paar Kilometer hinter mich, bevor ich Richtung Fluss auf meine Lieblingslaufstrecke abbog. Und erst, als ich anhielt, um etwas zu trinken, roch ich Vampir – und zwar nicht meinen Vampir. Ich blieb im flachen Wasser stehen und schleckte Wasser auf, als hätte ich nichts bemerkt.
Aber das war egal, weil der Vampir überhaupt nicht vorhatte, versteckt zu bleiben. Wenn ich ihn nicht gerochen hätte, hätte das klar erkennbare Geräusch einer Patrone, die in eine Schrotflinte eingelegt wurde, seine Absichten endgültig klargemacht. Er musste mir von meinem Haus aus gefolgt sein. Oder vielleicht konnte er so gut riechen wie ein Werwolf. Auf jeden Fall wusste er, wer ich war.
Bernard stand am Ufer und hielt die Flinte mit offensichtlicher Vertrautheit direkt auf mich gerichtet. Ein Vampir mit Schrotflinte – das schien mir ein wenig wie ein weißer Hai mit einer Kettensäge: einfach zu viel des Guten.
In diesem Fall hätte ich eine Kettensäge vorgezogen. Ich hasse Schrotflinten. Ich habe auf dem Hintern Narben von einem guten Treffer aus nächster Nähe, aber das war nicht das einzige Mal, dass ich beschossen worden war – nur das schlimmste. Die Rancher in Montana mögen keine Kojoten. Selbst Kojoten, die einfach nur laufen und niemals ein Lamm reißen oder ein Huhn jagen würden. Egal, wie viel Spaß es macht, Hühner zu jagen …
Ich wedelte den Vampir an.
»Marsilia war sich so sicher, dass er dich töten würde«, erklärte Bernard mir. Er klang immer wie einer aus der Kennedy-Familie, mit langen, flachen a ’s. »Aber ich
sehe, dass du sie reingelegt hast. Sie ist nicht so klug, wie sie denkt – und das wird ihr Untergang sein. Ich brauche deinen Meister, also ruf ihn, damit ich mit ihm sprechen kann.«
Es dauerte einen Moment, bis mir wieder einfiel, wer der Meister war, von dem er sprach. Und dann wusste ich nicht, wie ich es anstellen sollte. Ich hatte so viele neue Verbindungen, und ich wusste nicht, wie ich irgendeine davon benutzen konnte. Was, wenn ich versuchte, Stefan zu rufen und stattdessen Adam hier auftauchte?
Ich brauchte zu lange. Bernard drückte den Abzug. Ich denke, er wollte vorbeischießen – außer er war ein wirklich schlechter Schütze. Aber diverse dieser dämlichen Kugeln
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