Mercy Thompson 05 - Zeichen des Silbers-korr-iO
irgendwie etwas vermasselt hatte. Aber er hatte keine Ahnung, wie es so schrecklich hatte schieflaufen können.
Ich wollte nicht wissen, was er fühlte, weil ich mich dadurch nur noch dümmer fühlte - und verletzlicher.
»Ich muss rein«, erklärte ich dem Stab in meiner Hand, weil ich in diesem Moment Adam einfach nicht ins Gesicht sehen konnte. Wenn ich ihn angesehen hätte, dann wäre ich weggelaufen, und er hätte mich gejagt. An jedem anderen Tag hätte das vielleicht Spaß gemacht. Heute wäre es ein Desaster geworden. Also bewegte ich mich langsam.
Er folgte mir nicht, als ich zu meiner Tür ging, sondern sagte nur von dort, wo er stand: »Ich schicke jemanden vorbei, um Wache zu stehen.« Weil ich die Gefährtin des Alphas war. Weil er sich Sorgen um mich machte. Wegen Tim. Aufgrund von Schuldgefühlen.
»Nein«, sagte er und trat einen Schritt näher, was mir verriet, dass die Verbindung auf seiner Seite gerade stärker war. »Weil ich dich liebe.«
Ich schloss sanft die Tür zwischen uns und lehnte mich mit der Stirn dagegen. Mein Magen tat weh; meine Kehle war wie zugeschnürt.
Ich wollte schreien oder jemanden schlagen, aber stattdessen umklammerte ich den Wanderstab so fest, dass meine Finger wehtaten, und lauschte darauf, wie Adam in seinen Truck stieg und aus meiner Einfahrt setzte.
Ich schaute auf den Wanderstab. Früher - vielleicht immer noch - hatte er dafür gesorgt, dass die Schafe seines Besitzers immer Zwillinge warfen. Aber er war vor langer Zeit angefertigt worden, und alte Magie wuchs und wandelte sich manchmal. Er war zu mehr geworden als nur ein Wanderstab mit landwirtschaftlichem Einsatzgebiet. Was das genau bedeutete, wusste niemand - außer, dass er mir immer folgte.
Vielleicht war es nur Zufall, dass ich mich nach dem Vorfall in der Bowlingarena erst wieder als ich selbst gefühlt hatte, als ich den Stab in Händen hielt. Und vielleicht war es auch kein Zufall. Ich hatte mich über die Jahre oft mit Adam gestritten. Das war wahrscheinlich unvermeidbar, wenn man bedachte, wer wir waren - der sprichwörtliche und tatsächliche Alpha-Mann und... ich, die ich zwischen jeder Menge dominanter Kerle aufgezogen worden war und beschlossen hatte, nicht zuzulassen, dass sie mich kontrollierten (egal, wie gut gemeint ihre Kontrolle auch sein mochte). Aber so hatte ich mich nach einem Streit noch nie gefühlt. Normalerweise fühlte ich mich energiegeladen und fröhlich - statt krank und bis ins Mark verängstigt.
Natürlich war der Streit normalerweise meine Idee und nicht die von jemandem, der die Rudelbindung benutzte, um mit meinem Ich zu spielen. Ich konnte falschliegen. Vielleicht war es auch eine neue Art von schicker Reaktion auf meinen Zusammenstoß mit dem nicht-wirklich-innig-vermissten Tim - als wären Panikattacken und Flashbacks nicht schon genug.
Aber jetzt, wo es vorbei war, schmeckten die Stimmen für mich nach Rudel. Ich hatte nie gehört, dass das Rudel jemanden durch die Verbindung so beeinflussen konnte, aber es gab auch so einiges, was ich über Rudelmagie nicht wusste.
Ich musste mal aus meiner Haut, mich für eine Weile von der Rudel- und der Gefährtenbindung befreien, durch die zu viele Leute Zugang zu meinem Kopf hatten. Das konnte ich: Vielleicht konnte ich nicht alles loswerden, aber ich konnte meine menschliche Haut abwerfen und allein laufen. Meinen Kopf ein wenig klären. Ich musste mir darüber klarwerden, was heute Abend passiert war. Entfernung sorgte zwischen Adam und mir nicht immer für Einsamkeit, aber normalerweise schwächte sie die Verbindung zwischen Adam und mir - und auch zwischen dem Rudel und mir. Ich musste verschwinden, bevor die angekündigte Wache auftauchte, weil sie mich sicherlich nicht allein durch die Nacht laufen lassen würde.
Ohne mir die Mühe zu machen, in mein Schlafzimmer zu gehen, zog ich mich aus. Den Wanderstab wegzustellen kostete mich schon größere Überwindung, was mir verriet, dass ich mich bereits selbst davon überzeugt hatte, dass er blockieren konnte, was auch immer mich beeinflusst hatte. Ich wartete, bereit, den Stab sofort wieder an mich zu nehmen, aber in meinem Kopf erklangen keine Stimmen mehr. Entweder hatten sie das Interesse verloren, weil Adam weg war und sie ihr Ziel erreicht hatten. Oder Entfernung war wirklich ein so entscheidender Faktor, wie ich glaubte. Egal, wie, ich würde den Stab zurücklassen müssen, weil ein Kojote, der dieses Ding im Maul trug, einfach zu viel Aufmerksamkeit erregen
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