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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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Nicole hinüber.
    Die Heimleiterin brüllte die Treppe herauf, aber ich war schon beinahe unten. Ich lief aus der Küche in die Vorhalle.
    »Da bist du ja.« Die Heimleiterin funkelte mich finster an. »Wo ist Nicole?«
    »Hier bin ich.« Sie kam die Treppe herunter. Auf ihrem Gesicht stand der nichtssagende, ruhige Ausdruck, der, wie ich inzwischen wusste, viele Talente tarnte.
    Ms. Asura steckte den Kopf zur Tür herein. »Hallo, Mädchen, wie geht es euch?«
    »Wir müssen reden«, blaffte die Heimleiterin sie an.
    »Ja, in der Tat. Juliet, fang bitte schon mal an, deine Sachen zu packen. Dein Geburtstag steht vor der Tür.«
    »Sie ist noch nicht sechzehn«, polterte die Heimleiterin.
    »Wir werden sehen.« Ms. Asura lächelte sie herablassend an. »Sei doch so lieb und bring uns einen Kaffee ins Büro«, sagte sie, als sei sie die Hausherrin hier. Ich bemerkte den finsteren Blick der Heimleiterin. Aber sie protestierte nicht, sondern ging die Treppe hinauf.
    Ms. Asura zeigte auf den Garten neben dem Haus. »Kirian«, flüsterte sie mir zu.
    »Er ist draußen an unserem Treffpunkt«, erklärte ich Nicole. »Das muss einfach so sein, er saß nämlich im Auto.«
    »Ich bringe den Kaffee hoch. Aber ich finde, du solltest nicht …«
    »Danke.« Ich küsste sie auf die Wange, wartete das Ende ihrer Warnung allerdings nicht ab. Nicole war eine Schwarzmalerin.
    Ich schloss die Hintertür, lehnte mich dagegen und wünschte, ich hätte Lipgloss, eine hübsche Frisur und etwas Schönes zum Anziehen gehabt.
    »Hallo, Juwel in meiner Krone.« Kirian spähte zwischen den Hecken hervor. Er war vom Jungen zum Mann geworden, eine beeindruckende Verwandlung. Inzwischen war er einen Kopf größer als ich und hatte breite Schultern und einen stattlichen Bizeps. Sein aschblondes Haar war kurzgeschoren und lenkte die Aufmerksamkeit auf seinen markanten Kiefer und das kantige Kinn. Seine Haut war zart von der Sonne gebräunt. An einem seiner Ohrläppchen baumelte ein Ring, und an seinem Daumen funkelte ebenfalls einer. Eine Sonnenbrille bedeckte seine Augen und reflektierte das Spiegelbild meiner eigenen zu mir zurück.
    Als er sich durch das Geäst zwängte, fragte ich mich kurz, ob er den Giftefeu vergessen hatte. Doch schon im nächsten Moment sorgte seine Anziehungskraft dafür, dass der Gedanke schlagartig verflog. Ich gab mir keine Mühe, mein Lächeln zu verbergen. Er war zu mir zurückgekehrt. »Romeo.«
    Er nahm mich in die Arme und drückte mich fest an sich. So fest, dass ich fast keine Luft mehr bekam.
    »Ich habe dich vermisst, Liebling.«
    »Ich dich auch.«
    »Du bist ja erwachsen geworden. Lass dich anschauen.« Er schob mich auf Armeslänge von sich, um mich von Kopf bis Fuß zu mustern, bis ich mich ein wenig unbehaglich fühlte.
    »Du klingst so anders«, sagte ich. Ich gab mir Mühe, den kleinen Jungen, der mir alles bedeutet, und den Jugendlichen, der Prügel in Kauf genommen hatte, um mich zu beschützen, in ihm wiederzuerkennen. Doch ich sah nur einen Mann, der einer Filmleinwand hätte entstiegen sein können.
    »Ich bin erwachsen geworden. Das passiert, wenn man in der Welt herumreist. Komm, setz dich zu mir.« Er zog mich durch die Hecke in Richtung Wald, wo er, wie ich feststellte, neben einem umgestürzten Baumstamm ein Picknick angerichtet hatte. Eine Brise zerzauste mir das Haar und erinnerte mich daran, dass es erst Februar war, nicht Sommer. Nachdem er mich in eine Decke gewickelt hatte, schenkte er mir heiße Schokolade ein. Es gab Erdbeeren mit Schokoglasur und Teilchen.
    »Marshmallows, richtig?«, fragte er und warf ein paar in meine Tasse.
    Eigentlich hatte ich Marshmallows noch nie gemocht, aber er liebte sie, weshalb ich nichts weiter dazu sagte. »Ich kann nicht lange bleiben.« Die Bäume um uns herum wogten und klatschten mit den Zweigen wie Theaterpublikum. Während mein Haar versuchte, sich aus dem Zopf zu befreien, bewegte sich bei Kirian nicht einmal der Jackenkragen.
    Er tat meinen Einwand ab. »Wir haben Zeit. Alle Zeit der Welt.«
    »Aber die Heimleiterin …« Vielleicht hatte er ja vergessen, wie schrecklich es hier war. Es war schließlich schon drei Jahre her.
    Er presste die Lippen zusammen. »Glaub mir, ihre Besprechung mit Ms. Asura wird eine Weile dauern.«
    Wortlos nahm ich einen Schluck aus meiner Porzellantasse. Die heiße Schokolade schmeckte bitter. Meine Zunge flehte nach Eierpunsch.
    »Ich bin deinetwegen hier, nur deinetwegen.« Als er lächelte, kamen makellos

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