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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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ließ mich erschaudern. »War dieses Gespräch irgendwie surreal, oder liegt es an mir?«
    »Mit jemandem wie Rumi habe ich eindeutig nicht gerechnet. Keine Ahnung, ob er der Señora ähnelt, weil ich die meiste Zeit bewusstlos war, als sie und ihre Tochter uns besucht haben.« Tens’ lebensgefährliche Fleckfieber-Erkrankung, ein Anschlag der Aternocti auf ihn, hatte sich in mein Gehirn eingebrannt. Und da ich alles noch so frisch im Gedächtnis hatte, vergaß ich oft, dass er kaum etwas davon mitbekommen hatte.
    »Sie hat an Fenestrae und das Wirken der Schöpfer geglaubt. Außerdem war sie bereit – wie hat Rumi es ausgedrückt? –, sich dem nicht zu Wissenden zu öffnen. Sie hat uns, also mir und Custos, geholfen, obwohl sie das nicht musste.«
    »Und er erinnert dich an sie?«
    »Ich denke, er meint es ehrlich.«
    »Diesen Eindruck habe ich auch. Es ist nur so schwer zu glauben.«
    »Keine Ahnung. Vor zwei Monaten hätte ich auch nicht an uns geglaubt. Es klingt plausibel, dass die Sache komplizierter und verwickelter ist, als wir annehmen.« Ich flocht die Finger in die von Tens und rückte näher an ihn heran. Für jeden seiner langbeinigen Schritte musste ich zwei machen.
    »Hmmm. Vielleicht.« Tens zog den Schlüssel aus der Tasche und ließ mich los, um Custos den Kopf zu tätscheln.
    Ich betrachtete die Hütte, stieg in den Pick-up und erfreute mich an dem Bewusstsein, dass diese Unterkunft wenigstens heute Nacht uns gehörte. In mir vibrierte Verheißung. »Nett, einen Freund zu haben, oder?«
    Während der Verkehrsfluss uns in Richtung des Klinikums im nahen Indianapolis trug, ließ ich Rumis Familiengeschichte Revue passieren. Konnte es sein, dass da Menschen waren, die über uns Bescheid wussten, die uns helfen wollten und denen unser Wohlergehen am Herzen lag? Existierte ein Netzwerk, das es mir ermöglichen würde, andere Fenestrae zu finden? Gab es auf der Welt noch mehr von uns? Es fühlte sich fast zu gut an, um wahr zu sein.
    »Hmmmm«, erwiderte Tens, in seine eigenen Gedanken versunken, die er mir jedoch nicht verriet.
    Eine gehetzte Empfangsdame bedachte uns mit einem kurzen Blick und blätterte dabei weiter in ihren Papieren.
    »Sie sind nicht von hier, richtig? Das kann nicht sein.« Ihr Tonfall deutete an, dass ich sie persönlich beleidigt hatte, indem ich den Namen der Einrichtung falsch aussprach.
    »Oh, Entschuldigung.« Nach ihrer Miene zu urteilen, würden selbst Betteln und Flehen nicht bewirken, dass sie mir vergab.
    Sie räusperte sich, als wollte sie zu einem Vortrag ansetzen. »Kein Problem, ich bin ja nur hier, um Touristen Nachhilfe zu geben, nicht um Menschenleben zu retten.«
    »Danke.« Ich wollte sie nicht weiter verärgern, aber offenbar genügte meine reine Anwesenheit auf diesem Planeten, um ihr den Tag zu verderben.
    Tens sprang für mich in die Bresche und rettete mich vor einem Zornesausbruch. »Wir suchen Mrs. Eleanor Reynolds. Sie ist eine Freundin der Familie.« Er schob mich hinter sich, als ob sie so vergessen würde, dass wir etwas miteinander zu tun hatten.
    Die Frau seufzte entnervt. »Ich schaue mal nach.« Sie klickte sich durch verschiedene Menüs, ohne dass sich ihre Stirn geglättet hätte. »Sie wird hier nicht aufgeführt. Sind Sie sicher, dass sie bei uns ist? Sie könnte auch in einem anderen Krankenhaus liegen.«
    »Oma hat gesagt, sie sei hier. Aber dann war plötzlich ihr Telefon tot. Sie vergisst immer, den Akku aufzuladen.« Tens versprühte Charme und schenkte ihr sein Hundert-Watt-Lächeln.
    Warum kam ich nie in diesen Genuss? Da es zu funktionieren schien, machte ich mich noch kleiner.
    »In welchem Stockwerk ist denn die Onkologie?«, fragte Tens. »Wir werden Oma schon erreichen. Sie wird uns erzählen, was los ist. Wir haben Mrs. Reynolds sehr gern. Ich werde ihre Wellensittiche füttern, während sie hier ist. Aber wenn ich ihr nicht Bericht erstatte, dass es den Vögeln gutgeht, macht sie sich Sorgen.« Die Worte und die Lügen glitten ihm über die Zunge wie geschmolzene Schokolade. Ich beneidete ihn um seine Leichtigkeit.
    Rings um mich spürte ich bereite Seelen. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen. Aber ich konnte keinen Rückzieher machen, denn dann hätte Tens mir keinen zweiten Versuch erlaubt. Die Härchen auf meinen Armen standen zu Berge, und der Niesreiz wurde stärker, je länger wir warteten.
    Die Empfangsdame lächelte Tens an und zeigte mir die kalte Schulter. »Eigentlich dürfen Sie nicht im achten Stock

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