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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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Straße, ohne auf Einzelheiten zu achten. Weil die Körper dieser Seelen im Krankenhaus lagen, verwandelten sie sich von geschundenen Wesen in Krankenhausnachthemden und mit Verbänden in gesunde, kräftige Menschen, als hätte jemand bei einem Computerprogramm auf »Wiederherstellen« geklickt.
Sechs
 …
    Ein siebtes Fenster, und zwar das, das meine Tante mit mir eingeübt hatte, erschien in meinem Blickfeld. Die sich bauschenden weißen Gardinen und das sonnige Wetter lösten in mir das Gefühl aus, nach Hause gekommen zu sein. Der Geruch von frisch gemähtem Gras und Apfelblüten wehte mit dem Wind herein und zerzauste mein Haar. »Meridian.«
Tante!
    Ich lief näher zum Fenster. Chrystal Stans, Brustkrebsopfer, kroch hindurch, ohne auf mich zu achten. Aufs Fensterbrett gestützt, beugte ich mich hinaus und meinem Namen entgegen. »Tante!«, rief ich.
    Da unten auf der Wiese stand meine Tante Merry. Die narbige Frau lag ihr zu Füßen. »Such Vater Anthony … Hilfe … Custos … weiß … drei … vier …« Das Knistern zwischen den Wörtern war wie bei einer schlechten Telefonverbindung, die immer wieder von anderen Stimmen gestört wurde.
    Die verletzte Frau lag fast wie in Trance auf dem Boden. Ihre wächserne Haut sah einen Moment fest, dann wieder wie ein milchiger, transparenter Schatten aus. Sie blickte mich flehend an. Aber ich war nicht sicher, was sie von mir wollte. Meine Tante sprach zwar gestikulierend weiter, aber ich konnte sie nicht verstehen.
    Im nächsten Moment lag ich wieder auf der Bank im Krankenhaus und in Tens’ Armen. Offenbar verlor ich sofort wieder das Bewusstsein, denn als ich erneut die Augen aufschlug, waren wir im Pick-up. Ich stöhnte.
    »Verdammt, Merry, ich wusste, dass das keine gute Idee war.« Tens fuhr wie von Furien gehetzt. »Aber du hörst ja nie auf mich.« Er klang zornig und erbittert.
    Ich leckte mir über die Lippen und versuchte, den metallischen Geschmack im Mund loszuwerden. Dann lehnte ich mich an die Beifahrertür und betete, dass meine Kraft zurückkehren möge. Während ich wartete, ließ ich ihn weiterschimpfen. Eine Fenestra zu sein war Schicksal, eine genetische Bestimmung, die einen zur Mischung aus Mensch und Engel machte. Aber es gehörte auch Können dazu, das man sich mit viel Zeit und Übung aneignen musste. Ich hatte in Tante Merrys Buch gelesen, dass es vor vielen Jahrhunderten mehr von uns gegeben hatte. Außerdem hatte man kleinen Mädchen in besonderen Klosterschulen beigebracht, Gottes Werke zu tun. Ich hingegen hatte nur einen zweiwöchigen Schnellkursus bei meiner Tante kurz vor ihrem Tod absolviert. Also war ich noch Neuling, und da mir keine Meisterin meine Grenzen aufzeigte, wagte ich trotz meiner unzureichenden Fähigkeiten zu oft den Sprung ins kalte Wasser.
    Auf der Rückfahrt von Indianapolis kamen wir wieder an dem Schild vorbei, das uns in Carmel willkommen hieß, und bogen auf den Parkplatz hinter dem
Helios
ab. In der Teestube brannte eine Lampe. An der Hütte funkelten die entlang der Regenrinne und rings um Fenster und Tür angebrachten Lichterketten.
    Tens trug mich vom Pick-up ins Haus und ließ mich ohne viel Federlesens aufs Bett fallen. Freundlich zwar, aber nicht sehr erfreut.
    Custos lag entspannt auf dem Sofa und winselte leise und fragend.
Wie war sie vom Pick-up hierhergekommen? Warum war sie vor uns im Haus?
    Immerhin fühlte ich mich nicht mehr ständig krank oder hatte täglich Schmerzen. Meine ganze Kindheit lang hatte ich an geheimnisvollen Krankheiten, Verletzungen, Blutergüssen und Kopfschmerzen gelitten. Weil ich nicht wusste, dass ich eine Fenestra war – geschweige denn, dass ich über die dafür nötigen Kenntnisse verfügt hätte –, verhedderte sich die Energie der Tierseelen mit meiner, wenn sie durch mich hindurchgingen, was fatale Auswirkungen auf meinen körperlichen Zustand hatte. Ohne die Erläuterungen meiner Tante hätte sich eine menschliche Seele beim Übergang so rettungslos mit meiner verschlungen, dass sie mich mitgerissen hätte. Sie hätte mich getötet, ohne es zu wollen. Da ich nun wusste, wie das Fenster funktionierte, schwebte ich nicht mehr in Gefahr, von den Sterbenden vereinnahmt zu werden. Allerdings kam ich noch nicht richtig damit klar, wenn eine große Anzahl von Seelen sich dicht hintereinander meiner bedienen wollte. Es war, als liefe ich einen Marathon, ohne vorher richtig trainiert zu haben. »Ich muss so etwas öfter tun.«
Training. Warum nicht?
    Tens warf mir

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