Meridian - Flüsternde Seelen
seufzte schicksalsergeben. »Wenn mir mein Leben lieb sei, solle ich ihr nie mehr unter die Augen kommen. Sie wolle weder noch einmal von einem ihrer Kinder meinen Namen hören noch meinen Schatten irgendwo in Juliets Nähe sehen. Sie hat mir vorgeschlagen, mich in einem wärmeren Klima zur Ruhe zu setzen.«
»Ihre Kinder? In welcher Verbindung steht sie zu Juliet?«
»Sie ist doch nicht etwa ihr Vormund, oder?«
»Rumi, sie meint es ernst. Wenn sie eine Aternocta ist, wird sie dich töten und dir die Seele aussaugen.«
»Was für ein düsterer Auftakt für die Festivitäten.« Rumi runzelte die Stirn. »Es tut mir leid.«
Es war zu viel verlangt. Ich hätte wissen müssen, dass er das Handtuch werfen würde. »Schon verstanden.« Ich erhob mich. »Danke, dass du uns gewarnt hast, und für deine Hilfe.«
»Wo willst du hin, junge Frau?«, fragte Rumi.
»Weg«, erwiderte ich.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich mich so leicht ins Bockshorn jagen lasse, oder?« Rumi winkte mich zurück an meinen Platz.
»Aber …«
»Es ist ein erschütterndes Erlebnis für einen aufrechten Mann, dem Bösen ins Auge zu sehen. Doch für mich steht eines jetzt eindeutig fest.«
»Was?«, erkundigte ich mich.
»Wir müssen dieses Mädchen retten. Aber wie stellen wir das am besten an?«
Gute Frage. Dann begannen wir Pläne zu wälzen, bis wir vor Müdigkeit nicht mehr klar denken konnten.
Viele Stunden später starrte ich noch immer an die Decke unserer Hütte und sehnte die zündende Idee herbei.
»Merry?«, flüsterte Tens. »Bist du wach?«
»Ja.«
Ich hörte, wie er vom Sofa rutschte. Seine Schritte waren so leise, dass ich erst wusste, wo genau er sich befand, als das Bett unter ihm nachgab. Ich rutschte hinüber in die gestärkten kalten Laken, um ihm Platz zu machen. Unabsichtlich hatte ich mir angewöhnt, in der Mitte des Bettes zu schlafen.
Ich drehte mich zu seinem warmen Körper um und schob die Beine zwischen seine. Er schlang die Arme um mich, und wir kuschelten uns aneinander, als täten wir das schon seit einer Ewigkeit, nicht erst seit einem Monat. Allerdings war es auch stets dabei geblieben. Wahrscheinlich lag es an der Übung, dass wir es mittlerweile so gut beherrschten. Ich passte meinen Atem an seinen an.
Dann fuhr ich mit den Fingerspitzen seinen Arm hinauf und hinunter. Seine feste, glatte Schulter ging in einen gewölbten Bizeps und danach in die rauhen Härchen an seinen Unterarmen über. Ich strich mit den Fingern über seine Haut und genoss es, wie die verschiedenen Oberflächen sich anfühlten. Sein T-Shirt und die Jogginghose stammten noch aus Colorado. Sie hatten die weiche Beschaffenheit oft gewaschener Lieblingssachen, saugten seine Körperwärme auf wie Butter und schienen zwischen uns zu schmelzen.
Ich wusste, dass ich eigentlich über Juliet, die Aternocti und Rumis Sicherheit hätte nachdenken sollen. Doch ich wollte mich nur in die Nacht fallenlassen und Tens so nahekommen wie möglich. Ich wollte ihn erkunden, genießen und das verrückte elektrische Knistern auskosten, das sich um uns herum aufbaute. Bei jedem Ausatmen berührte warme Luft mein Haar, und ich spürte, wie ein unbeschreibliches Gefühl über meine Haut kroch, wie das Kitzeln, bevor man durch statische Aufladung einen elektrischen Schlag bekam. Ich wollte nicht denken, ich wollte … War Sex so wie im Film? Würde ich es bereuen? Nein. Würde er? Wohl doch hoffentlich nicht. Ich versuchte weiter, im Gleichtakt mit ihm Luft zu holen, doch auch sein Atem schien schneller zu werden.
Er schlang den Arm fester um meine Rippen dicht unter meinen Brüsten. Ich sehnte mich danach, dass seine Hand nach oben wanderte und meine Brust umfasste. Wie mochte es sein, seine Finger auf der Brustwarze zu spüren? Mein Herz raste.
»Okay?« Tens’ Stimme übertrug sich vibrierend von seiner Brust auf meine.
Ist mit mir alles okay? Ist dein Arm nah an meiner Brust okay? Ist so zu tun, als wolle ich mich in deiner Gegenwart nicht ausziehen, weil du Angst hast, mir weh zu tun, okay?
»Bestens.«
Sein Daumen beschrieb einen Bogen von der Seite meiner Brüste zu meinen Rippen und zurück. Dann bewegte er den Kopf und küsste mich auf den Hals und hinters Ohr. So unbeschreiblich zart, dass es auch Seufzer hätten sein können statt Küsse.
Ich drehte den Kopf und wandte ihm die Lippen zu.
Unsere Münder trafen sich so vorsichtig, als wäre es der erste Kuss. In diesem Moment lernten wir einander noch einmal kennen.
Wie er
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