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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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Fenestra?«
    Sie warf mir einen belustigten Blick zu. »Aber natürlich. Inzwischen jedoch haben die Filme – oder vielmehr die Digitalaufnahmen – die Fähigkeit, das Licht in uns aufzufangen.«
    »Wie ist so etwas möglich?«
    »Hast du je davon gehört, dass Geister oder Gespenster auf Fotos einen weißen Nebel oder eine Reflexion wie von einem Blitzlicht hinterlassen?«
    »Schon.« Allmählich wurde mir klar, wie wenig ich von der Welt wusste. Auf Fotos lag mein Gesicht immer im Schatten wie bei einer Mondfinsternis. Es war stets, als stünde die Sonne direkt hinter mir, so dass mein Gesicht nur als dunkler Fleck zu sehen war. Meine Identität war buchstäblich ausgelöscht.
    »Das ist bei uns eben so. Ehe du nicht lernst, dein Tor für die Seelen zu öffnen und zu schließen, können Menschen lediglich das Licht hinter dir wahrnehmen.«
    Meine Rolle in der Welt macht mich unsichtbar.
»Aber du kannst es beeinflussen?«
    »Ja, und du wirst es ebenfalls lernen. Ebenso, wie es dir gelingen wird zu verhindern, dass du dich mit fremder Energie verhedderst. War mein Mann nicht sehr gutaussehend?« Als sie lächelte, traten ihr Tränen in die Augen.
    »Ja, wirklich. Wie hieß er denn?«
    »Er war mein Charles, mein tollkühner Pilot. Einer der ersten, der noch nicht erprobte Flugzeuge gesteuert hat.«
    »War das nicht gefährlich?«
    »Selbstverständlich. Aber er fürchtete sich nicht vor dem Tod. Mir hat er gesagt, dass er bei jedem Start mein Gesicht vor Augen habe. Und deshalb habe er keine Angst vor dem Sterben.«
    »Wusste er Bescheid?«
    »O ja. Wir haben uns während des Krieges in einem französischen Feldlazarett kennengelernt. Ich war damals schon längst über das heiratsfähige Alter hinaus. Doch ich war Krankenschwester und ging dorthin, wo ich gebraucht wurde. Die jungen Männer, die für uns kämpften, sollten ein friedliches Ende finden, wenn sie nicht mehr nach Hause kommen konnten.«
    »Also hast du sie gepflegt?«
    Trauer schlich sich in ihren Blick. »Einige. Meistens begleitete ich die Patrouillen und die Männer vom Widerstand an die Front und stellte mich denen zur Verfügung, die mich nötig hatten. Ich war als Krankenschwester weniger gefragt denn als Fenestra. Die Aternocti hatten sich mit Hitlers Hilfe ein Reich in Europa aufgebaut. Oder umgekehrt. Die Jungen fingen an, mich einen Engel zu nennen, weil die Schreie verstummten, wenn ich dabei war. Charles fiel das auf. Seine Großmutter hatte ihm von den leuchtenden Menschen erzählt, die Engel auf Erden sind. Also hat er sich erboten, mir nicht mehr von der Seite zu weichen. Gegen Kriegsende stießen wir auf ein Lager in Deutschland. Es war die Hölle auf Erden.«
    »Ein Lager der Nazis?«
    »Hmmm. Ich bin am ersten Tag mit den Soldaten hingegangen. Ohne Angst, allerdings auch ohne vorbereitet zu sein. Auf ein solches Grauen kann man sich nicht einstellen. Es waren so viele. So nah. Meine Augen schmerzten von dem Licht, dass ich mich selbst kaum noch sehen konnte, so sehr leuchtete meine Haut. Also konzentrierte ich mich darauf, ruhig durchzuatmen und einen nach dem anderen durch mich hindurchgehen zu lassen.«
    »Was geschah dann?«
    »Die meisten Soldaten wussten, dass ich anders war als die anderen. Doch im Krieg ist es leichter, an Dinge zu glauben, die keinen Sinn ergeben, an Wunder, an das Übernatürliche eben. Sie wechselten sich ab, mich durchs Lager zu führen, damit ich den Menschen beistehen konnte, die mich brauchten, denen, die nicht mehr genesen würden. Aber Charles blieb immer bei mir. Einige Stunden später war ich derart erschöpft, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Als ich in Ohnmacht fiel, fing Charles mich auf. Er trug mich zurück in unser Feldlager und flößte mir so lange Whiskey ein, bis ich mich bei ihm ausweinte. Ich vertraute ihm Dinge an, über die ich noch nie mit jemandem gesprochen hatte. Aber er hörte schweigend zu und schenkte immer wieder nach.«
    »Hatte er keine Angst?«
    »Ach, mein Kind, wenn man so viel gesehen und durchlebt hat, fürchtet man sich nicht mehr vor dem Tod. Im Krieg werden unsere kleinlichen menschlichen Bedenken ins richtige Verhältnis gerückt. Außerdem hat er bemerkt, wie viel es mir abverlangte. Eine Woche lang war ich bettlägrig. Die Ärzte diagnostizierten irgendeinen Unsinn wie Hysterie oder Nervenzusammenbruch.«
    Ihr noch immer empörter Tonfall brachte mich zum Lachen.
    »Charles versorgte mich mit frischem Brot und Käse von den benachbarten

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