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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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kannte die Menschen nicht, aber das war auch nicht wichtig. Ich spürte nur eine unbeschreibliche Freude. Ein unbezähmbarer Drang sorgte dafür, dass mein Körper von Krämpfen geschüttelt wurde.

Kapitel 22
     
     
    Als ein lauter Knall ertönte, zuckte ich zusammen und riss die Augen weit auf. Ich war wieder in Jaspers Schlafzimmer und hielt die Hand meiner Tante.
    »Ich habe das Fenster für dich geschlossen. Fast hättest du es allein geschafft.« Sie tätschelte mir die Wange. »Wie geht es dir?«
    Vor Schreck, in meinen Körper zurückgekehrt zu sein, schnappte ich nach Luft. Es war seltsam, die Schwere der eigenen Arme und Beine wieder zu spüren. Die Kopfschmerzen ließen nach, allerdings nicht vollständig. Mein Magen krampfte sich zusammen, doch ich glaubte nicht, dass ich mich würde übergeben müssen. Auch meine Knochen taten ziemlich weh, aber das würde ebenfalls nicht von Dauer sein.
    »Ist alles in Ordnung?« Sarah kam um das Bett herum auf mich zu.
    »Ich glaube … das wird schon wieder.« Ich konnte nicht verhindern, dass man mir meine Überraschung anhörte. »Er hat gesagt, er sei dir noch etwas schuldig, Tante.«
    Sarah wischte sich die Tränen weg. »Ich werde dich nicht fragen, woher du das weißt, aber ich bin sicher, dass er sich revanchieren wird.«
    Mit dem verzweifelten Wunsch, ihr noch mehr zu erzählen, drehte ich mich zu ihr um. »Da waren Menschen. Er war glücklich.«
    »Danke.« Sie umarmte mich. »Ich bin sicher, dass deine Gabe den meisten Leuten Unbehagen einflößt, doch ich danke dir. Du hast es ihm erleichtert.«
    Vermutlich ist das die Antwort, oder? Die Leute haben Angst. Aber fürchten sie sich nun vor mir oder vor dem Tod an sich?
    »Es liegt am Tod, nicht an dir. Sie haben solche Angst vor dem Sterben, dass sie dich nicht einmal wirklich zur Kenntnis nehmen«, meinte Sarah.
    Ich blickte sie an. »Habe ich gerade laut geredet?«
    »Nein.« Sie lächelte. »Möchtest du einen Tee oder eine heiße Schokolade, bevor ihr fahrt?«
    »Nein, danke, Sarah. Meridian braucht jetzt, glaube ich, ein Nickerchen.« Tante Merry lachte auf. »Zumindest gilt das für mich.«
    »Ich bleibe noch ein paar Wochen, um seine Angelegenheiten zu regeln. Ruf mich an, wenn ich etwas für dich tun kann.« Sarah wühlte in ihrer Handtasche und reichte mir eine Visitenkarte. »Falls du je in New York bist und einen Schlafplatz brauchst, melde dich. Es ist zwar nicht luxuriös, doch du kannst dich wie zu Hause fühlen.«
    »Danke.« Ich steckte die Karte ein und erwiderte ihr Lächeln. Eine Freundschaft mit ihr konnte ich mir gut vorstellen, obwohl sie schon über dreißig war und trotz ihrer Designer-Hippieklamotten die weltgewandte Art einer New Yorkerin an den Tag legte.
    Meine Tante gab mir den Autoschlüssel. »Wenn du langsam fährst, klappt das schon.«
    Eigentlich wollte ich widersprechen, doch ihre Wangenwirkten fahl, und ihre Lippen hatten eine bläuliche Färbung angenommen. Also hielt ich den Mund und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass wir heil ankommen würden.
    Den Nachhauseweg legte ich mit einer Geschwindigkeit von etwa sieben Stundenkilometern zurück, aber es kam nicht zu einem Zusammenstoß, und das Auto blieb auf der Straße. Bis auf Tante Merrys Schnarchen war unterwegs nichts zu hören. Zu Hause angekommen, nahm ich die verkrampften Finger vom Lenkrad und atmete seit dem Einsteigen zum ersten Mal tief durch. »Haben wir Lakritze da?«
    »Vielleicht in der Speisekammer. Hast du Heißhunger darauf?« Die Tante hielt im Öffnen ihres Sicherheitsgurts inne.
    »Ja, auf ein Sandwich mit Lakritze und Honig.«
    »Jaspers Lieblingsessen?«
    Ich überlegte und nickte dann. »Aus seiner Kindheit. Es klingt zwar scheußlich, aber ich muss es unbedingt probieren.«
    Auf dem Weg die Stufen hinauf hielt ich sie am Ellbogen fest. Custos begrüßte uns mit einem Winseln und leckte mir kurz über die Hand.
    »Du wirst feststellen, dass du eine Menge Dinge ausprobieren willst, je mehr Erinnerungen sich in dir ansammeln. Ich weiß noch, dass ich einmal Whiskey direkt aus der Flasche getrunken habe, weil ein Mann behauptet hatte, es schmecke anders als aus einem Glas. Seinen Namen habe ich vergessen, doch das war offenbar die Erkenntnis seines Lebens.«
    Ich kicherte, während wir uns die Stiefel abklopften unduns aus unseren Mänteln schälten. »Und hat es anders geschmeckt?«
    »Nein.« Als sie ins Schwanken geriet, fing ich sie auf.
    »Was hast du?«
    »Wahrscheinlich bin ich nur

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