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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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plötzlich war da ein schreckliches Tohuwabohu und Geheule.«
    Ich wusste, was nun kommen würde. »Die Katzenmutter, richtig?«
    Er nickte. »Sie ist in dein Fort gekrochen, hat zu deinen Füßen zwei Kätzchen geboren und ist dann gestorben.«
    Tränen traten mir in die Augen. »Die Kätzchen waren auch tot. Sie war eine Straßenkatze gewesen, die niemandem gehörte. Nachdem Dad sie begraben hatte, habe ich nie mehr in dem Fort gespielt. Ich dachte, dass es dort spukt.«
    »Damals habe ich den Traum nicht verstanden. Aber als ich aufwachte, habe ich meinen Großvater danach gefragt.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Nichts. Kein einziges Wort. Ich konnte ihn nicht dazu bringen, mir den Traum zu erklären. Er schüttelte nur den Kopf und lächelte mich an.«
    »Oh.« Enttäuscht biss ich mir auf die Lippe und starrte auf die rissigen Bodenfliesen.
    »Wo bleibt denn mein Tee, Kind?« Tante Merry kam in die Küche geschlurft. Sie wirkte noch gebrechlicher als zuvor.
    Tens rückte ihr einen Stuhl zurecht. »Du siehst aus, als würdest du gleich umfallen.«
    »Hat dein Großvater dir je von seiner Zeit in der Armee erzählt?«, erkundigte sie sich wehmütig und wurde im nächsten Moment von einem Hustenanfall geschüttelt.
    »Du gehörst ins Bett.« Tens und ich wechselten einen Blick.
    »Ja, die Armee, dort haben wir uns kennengelernt …« Ein lautes Poltern auf der Veranda ließ uns alle zusammenfahren. Als darauf das Wimmern eines Tieres ertönte, griff Tens zur Schrotflinte und riss die Eingangstür auf.

     
     
 
     
    Hütet euch vor den Aternocti – sie haben meine Schwestern unwiederbringlich verändert. Ich weiß nicht, auf welche Weise, aber zwei Fenestrae, die ich so gut kannte wie mich selbst, dienen nun als Aternocti dem Zerstörer.
     
    Luca Lenci 1750–1856

Kapitel 23
     
     
    »Nein, nein, nein, nein, nein!« Ich rutschte auf dem Eis und Schnee aus, die Custos mit auf die Veranda gebracht hatte.
    »Vorsicht, Meridian. Wir wissen nicht, ob sie uns noch vertraut.«
    Ich beugte mich über die verletzte Wölfin. »Du vertraust mir doch, oder, mein Mädchen?«
    Ein leises Gurgeln in ihrem Bauch war die einzige Antwort.
    »Vorsicht.« Tens’ Stimme blieb gelassen, als er langsam auf uns zukam. »Ganz ruhig.«
    Custos winselte und legte sich auf ihre unverletzte Seite, so dass wir ihre Wunde in Augenschein nehmen konnten. Ein Pfeil von der Sorte, wie er die tote Katze begleitet hatte, steckte in ihrer linken Schulter. Sie hechelte und blickte mich erwartungsvoll an.
    Ich würgte. Ich konnte kein Blut sehen. Seltsam, denn eigentlich müsste ein ungezwungener Umgang mit Blutvergießen doch zum Anforderungsprofil einer Fenestra gehören.
    »Es sieht schlimmer aus, als es ist.« Tens schritt einen Kreis um uns herum ab, um sich zu vergewissern, dass nirgendwo Verfolger lauerten.
    Ich berührte mit den Fingerspitzen Custos’ Krallen. Ganz zart, um sie nicht zu überfordern. »Warum? Warum tut jemand so etwas?« Sie hob den Kopf, leckte meine Hand und stupste mich an, damit ich näher kam.
    Tens untersuchte ihre Flanke und streichelte sie mit den Fingerspitzen. »Die Verletzung ist nicht schwer. Der Pfeil ist in ihrer Haut und dem Fell stecken geblieben, allerdings parallel zum Körper, ohne innere Organe zu treffen. Wir schaffen sie ins Haus und verarzten sie. Sie kommt sicher wieder in Ordnung.«
    »Ich bin kein Tierarzt, du vielleicht?«
    »Der einzige Tierarzt, den wir in Revelation hatten, ist weggezogen, als die Frömmler die Oberhand gewannen. Also wird sie mit uns vorliebnehmen müssen.«
    Warum wunderte mich das nicht?
    Custos rappelte sich auf und versuchte dabei, so gut wie möglich das linke Vorderbein zu entlasten. Sie keuchte, und die Zunge hing ihr aus dem Maul, als sie immer wieder ein Stöhnen ausstieß. Ihr Fell war mit geronnenem Blut verklebt, das auf den Boden tropfte, als sie zur Tür humpelte.
    »Hilf ihr!« Tränen liefen mir übers Gesicht.
    »Das können wir erst, wenn sie drinnen ist und wir alles Nötige zusammengesucht haben.« Tens hielt die Tür auf und winkte mich zu sich. »Begleite sie, schür das Feuer an und gib ihr frisches Wasser. Ich hole deine Tante, und dann entfernen wir den Pfeil.«
    Ich nickte.
    Wie eine Wilde hetzte ich hin und her, schob Custos ein Kissen unter den schweren Kopf und pustete in die letzte Glut, in der Hoffnung, dass sie wieder aufflammen würde.Als das Holz im Kamin knisterte, hastete ich in die Küche und holte Wasser.
    Bei meiner Rückkehr half

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