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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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austreiben.« Er sprach wieder laut ins Mikrofon. »›Denn an diesem Tag schafft man für euch Sühne, um euch zu reinigen: von all euren Sünden werdet ihr rein vor dem Herrn.‹«
    »Ich bin rein. Und Sie sind der leibhaftige Teufel, richtig?«, raunte Tante Merry ihm zu, doch das Mikrofon fing es auf.
    Die Gemeinde schnappte geschlossen nach Luft. Tens trat vor, um sie zu beschützen.
    »Möchten Sie, dass ich sie hinausbegleite?« Jack erschien neben Perimo.
    »Nein, sie sollen bleiben. Vielleicht können wir ja noch etwas für ihre Seelen tun und sie retten, bevor sie uns für immer verlassen.« Perimo kehrte zur Kanzel zurück und setzte den Gottesdienst fort, als wäre nichts geschehen. »›Ihr spracht: Der Herr, unser Gott, hat uns seine Majestät und Größe schauen lassen, wir haben seine Stimme aus dem Feuer heraus vernommen … Tritt du heran und höre alles, was der Herr, unser Gott, reden wird! Wir werden es hören und danach handeln.‹«
    Bei den Worten »Amen, Lob sei dem Herrn« erhoben sich seine zwölf Henkersknechte. Die Gemeinde wiederholte die Worte, während im Hintergrund Trompeten erschollen.
    Von allen Seiten trafen uns gehässige Blicke.
    »Wir sollten von hier verschwinden.« Tens griff nach meiner Hand. Wir mussten die Tante fast den Mittelgang entlang tragen. Ich glaube, wir holten erst wieder Luft, als wir im Landrover saßen und die Kirche weit hinter uns lag.
     
    Bei unserer Ankunft zu Hause war Tante Merry eingenickt. Sie war blass, und ihre Haut wirkte dünn wie Papier und irgendwie eingeschrumpft.
    Sobald wir das Haus betraten, begann das Telefon zu läuten. Ich war nicht sicher, ob wir abheben sollten. Bevor ich meine Befürchtungen äußern konnte, ging die Tante an den Apparat. Sie wurde immer aufgebrachter, bis sie schließlich den Hörer hinknallte.
    »Was ist passiert?«, fragte ich, obwohl ich nicht sicher war, ob ich noch eine Hiobsbotschaft verkraften würde.
    »Wie geht es dir?« Sie umfasste mein Gesicht mit den Händen und blickte mir in die Augen.
    »Okay?«
    »Ich glaube, du bist jetzt so weit, mich zu begleiten.«
    »Wer war das?«
    »Ein alter Freund. Zum Umziehen haben wir keine Zeit mehr. Es geht mit ihm zu Ende.«
    »Wo fahren wir hin?«
    »Zu deiner nächsten Unterrichtsstunde.«
    »Und die wäre?«
    »Du musst lernen, eine willige, aber starke Seele durch dein Fenster zu lassen.«
    »Wessen Seele?«
    »Die des besten Freundes von meinem Charlie, Jasper Lodge. Seine Enkelin möchte, dass ich komme. Er hat nichts dagegen, wenn du auch dabei bist.«
    »Wobei?«
    »Bei seinem Tod, Kleines, bei seinem Tod.«

     
     
 
     
    21. Dezember 1974
    Es gibt keine Geschlechter. Weder Männer noch Frauen. Auch der Singular existiert ebenso wenig wie der Plural. Die kleine Anzahl von Menschen, die mehr als drei Prozent ihres Gehirns benutzen, wissen das. Denken Sie nur an Einstein. Er hat Dinge erkannt, die die meisten Menschen nicht einmal mit Sehhilfen erfassen können. Doch obwohl so manchen die Vorstellung nicht in den Kopf will, dass die Schöpfer sich weder für Geschlechter noch Mengen interessieren, müssen wir als Fenestrae versuchen, es zu verstehen. Also bemühe ich mich. Es gelingt mir nicht immer, aber das ist mein Weg.
     
    Linea M. Wynn 1900–1975
    (Ermordet von den Ater nocti, obwohl es nie bewiesen werden konnte. Man erkannte auf Unfalltod durch Ertrinken.)
    ihre Cousine Meridian Ful bright, 3. März 1975

Kapitel 21
     
     
    Wir hielten vor einem großen alten Holzhaus. Einige Katzen schlichen auf uns zu. In der Ferne bellte ein Hund. Obwohl der dicke Morast und Schneematsch mit Heu bestreut war, musste ich vorsichtig den Weg entlang zu der breiten Veranda waten. Die Katzen miauten und begleiteten uns hinein, als Tante Merry eintrat.
    Sie marschierte schnurstracks ins Schlafzimmer und machte im Gehen alle miteinander bekannt. Offenbar war sie schon oft in diesem Haus gewesen. »Hallo, Jasper. Das ist meine Nichte Meridian. Sie ist eine von uns.«
    Zögernd blieb ich auf der Schwelle zum Schlafzimmer stehen und versuchte, mich an die Angst zu gewöhnen. Warum fürchtete ich mich vor einem alten Mann?
    Als ich hinter mir eine Stimme hörte, zuckte ich zusammen. »Mein Opa Jasper ist einer der letzten lebenden Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg, ein B-Siebzehn-Schütze. Das durfte auf keinen Fall unerwähnt bleiben.« Eine Frau mit langen Zöpfen und einem Folklorerock kam herein und setzte sich Tante Merry gegenüber. »Hallo, Tante, schön, dich zu

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