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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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fast,aber nie ganz erkennbar – stiegen unablässig auf und schwebten kurz über unseren Schultern. Nebelhöhlen verwandelten sich
     in Schluchten; Schluchten wurden zu Bergen; Berge verschwanden augenblicklich.
    Um uns herum entstanden dunstige Spuren von Gestalten, verwandelten sich und entschwanden. Ich konnte zwar keine Erscheinung
     erkennen, doch vertraute Gefühle stürmten auf mich ein. Manche Formen lockten mich, verführerisch wie ein Traum, den ich zurückholen
     wollte. Andere, beunruhigendere, krallten nach mir wie eine geheime Angst, die mich schon immer verfolgt hatte.
    Obwohl wir stillstanden, bewegten wir uns ständig tiefer in den Nebel. Eine Art Strömung schien uns zu tragen – eine Strömung,
     die uns zu einem geheimnisvollen Ziel zog. Würde es unser Ziel sein, überlegte ich, oder das der Strömung? Jedenfalls hätte
     ich dem unnachgiebigen Sog nicht widerstehen können, selbst wenn ich nicht so schwach gewesen wäre.
    Während uns die Dämpfe tiefer trugen, erinnerte ich mich, wie der Nebel immer wieder und immer wieder anders durch mein Leben
     gezogen war. Schon als Kind in Gwynedd hatte ich den Anblick des Morgennebels geliebt, der von den Wiesen, den Bäumen oder
     dem schneebedeckten Gipfel des Y Wyddfa aufstieg. Wie ich mich danach gesehnt hatte, ihn zu berühren, ihn festzuhalten, diesen
     flüchtigen Fluss, der durch die Luft strömte! Doch nie konnte ich ihm nahe genug kommen. Immer wenn meine Hände ihn fast gepackt
     hatten, floh mich der Nebel.
    Als ich zum ersten Mal nach Fincayra segelte, hatte mich eine wundersame Nebelwand begrüßt, mich festgehalten– und sich schließlich geteilt, um mich durchzulassen. Und später, als ich dem geheimen Pfad zur Anderswelt gefolgt war und
     Rhias schlaffen Körper sowie ihren Geist trug, war eine andere Art Nebel um mich gewirbelt. Er war mit jedem meiner Schritte
     heller geworden, leuchtender, bis alles um mich herum wie vom Glanz polierter Muscheln schimmerte. Selbst der Seelenbaum,
     dessen stämmige Wurzeln sich aus der Anderswelt hoben, um die Länder darüber zu tragen, war aus dem Nebel gekommen; seine
     betauten Äste waren eins mit den Wolken. Und als Hallia mir zum ersten Mal die Legenden ihres Volks erzählt hatte, waren die
     Geschichten aus jenen gleichen flüchtigen Fäden gewoben.
    Jetzt begaben Ector und ich uns in eine andere Nebelwelt. Plötzlich wogte eine riesige Dunstwolke auf uns zu, im Näherkommen
     wurde sie immer schneller. Wieder drückte Ector meine Hand. Noch während ich den Druck erwiderte, flutete die Welle über uns.
     Einen Augenblick verlor ich die Orientierung, ich sah nichts als Nebel rundum; ich spürte nichts als seine Kälte auf der Haut.
     Genauso plötzlich löste sich die Woge auf. Ich stand wie zuvor, in einer Hand hielt ich meinen Stock, in der anderen –
    Nichts. Ector war verschwunden. Ich stand allein da.
    Die Warnung des augenlosen Katers dröhnte in meinem Kopf:
Und nie, nie loslassen. Es sei denn, es macht euch nichts aus, für immer verloren zu sein.
Ich taumelte und wäre fast gefallen. Nur unter Aufbietung all meiner nachlassenden Kraft blieb ich aufrecht stehen. Ich spürte,
     wie die Nebelwoge um mich strömte, während sie mich weitertrug. Aber wohin? Dunkle Dünste drangen in meinenKopf, umwölkten meine Gedanken, obwohl ich mir immer sicherer war, dass dieser Ort mein Grab werden würde.
    Endlich wurde die flutende Bewegung langsamer. Die Welle schien sich allmählich zurückzuziehen, sowohl aus meinem Kopf wie
     aus der Welt um mich herum. Schwankend beobachtete ich, wie der Nebel vor mir wogte und dunkelte, sich zu Formen verband,
     die farbenfroh und voller Einzelheiten waren. Da gab es felsige Hänge und Bäume, von unaufhörlichen Winden gebeugt – Weißdorn,
     Eschen und Eichen. Hier ein Gewirr aus Stechginsterbüschen. Und dort ein Dorf mit verfallenden, strohgedeckten Hütten. Es
     war eine scharf umrissene Landschaft. Eine Landschaft, die ich wiedererkannte.
    Gwynedd! Das Land, das in Ectors Zeit Wales genannt werden würde. Aber sah ich es in Ectors Zeit – oder in meiner eigenen,
     lange zuvor?
    Eine einzelne Gestalt erschien, sie trat zwischen den Bäumen hervor. Es war ein Junge mit linkischen Bewegungen, sein langes
     schwarzes Haar war ein Nest von Blättern und Gräsern. Er bückte sich und betrachtete eine kleine gelbe Blume mit lavendelblauem
     Rand. Vorsichtig pflückte er sie und blies sanft auf die Blütenblätter, dass sie flatterten. Während ich ihn

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