Merlin und die Feuerproben
jedenfalls.«
»Du hast es versucht?«
Ich zerbrach ein Stück Treibholz überm Knie und legte die Teile aufs Feuer. »Ich habe es versucht.«
Hallia schaute mich an, als hoffe sie auf mehr. Als ich schwieg, häufte sie ein bisschen Sand auf die Handfläche. »Musik,
richtige Musik ist eine Art Magie. So flüchtig wie der Nebel.«
Langsam holte ich die verkohlten Reste meines Psalters aus meinem Beutel. Ich hielt das Stückchen Eichensteg in der Hand,
drehte die geschwärzte steife Saite und versuchte sie mir als Teil des ganzen Instruments vorzustellen, das ich mit allen
glänzenden heilen Saiten in der Hand barg. Doch die Vision ging in Flammen auf und zerfiel in Holzkohle und Asche. Vorbei,
was diese Saite einst an Zauber besaß. Genau wie die Magie, die meine Finger einst beherrschten.
»Cairpré hat mich einmal gefragt«, erinnerte ich mich laut, »ob die Musik in den Saiten ist …«
»Oder in den Händen, die sie zupfen?« Hallia lächelte. »Meine Mutter, die mich lehrte die Weidenharfe zu spielen, stellte
mir die gleiche Frage.«
»Und hast du sie beantwortet?«
»Nein.«
»Sie?«
»Nein.« Sie zog einen Rankenfußkrebs von einem Treibholzstück, dann warf sie das Holz in die Flammen. »Aber sie sagte, während
wir hier an diesem Strand auf einem Stein saßen, dass ein Instrument von selbst keine Musik macht. Nur Klang.«
Sie runzelte die Stirn. »Ich kann mich nicht genau an ihre Worte erinnern, aber sie sagte noch etwas. Dass Musikinstrumentesich in etwas Größeres einbringen müssen – etwas Höheres. Das war es. Sie nannte es
eine höhere Macht.
«
Ich fuhr auf.
Hallia sah mich an. »Was ist los?«
»Das ist es, was ich brauche, wenn ich Valdearg je Einhalt gebieten soll.
Eine höhere Macht.
Damit könnte der Galator gemeint sein. Oder etwas anderes.« Mit dem letzten Holz schob ich die brennenden Stücke zusammen.
»Was es auch sein mag, ich glaube nicht, dass ich es habe.«
Hallias Gesicht war zur Hälfte von den Flammen beschienen. »Vielleicht nicht, aber etwas hast du.«
Ich zog skeptisch die Augenbrauen hoch.
»Du hast, was nötig war, damit Domnu diesem Hengst seine natürliche Gestalt wiedergab. Und, ebenso wichtig, ihm die Freiheit
schenkte.« Sie wandte sich den pulsierenden Wellen zu. »Das war edelmütig von dir. Fast … wie Hirsche es tun.«
Ich hob die Lasche meines Beutels und legte die Psaltersaite zurück. »Dann habe ich vielleicht wenigstens eins richtig gemacht.
Ich hoffe nur, diese Hexe hält ihr Wort und lässt Ionn frei.«
Hallia schüttelte die langen Haare. »Ich traue ihr nicht mehr als du, glaub mir! Aber sie braucht deine Hilfe, wenn sie diesen
Anhänger zurückhaben will. Deshalb hat sie dir vom Rad erzählt.«
»Rad?«
»Das Orakel. Das in den rauchenden Klippen.« Ihr Gesicht bekam einen angespannten Ausdruck. »Es heißt … das Rad von Wye.«
Ich drückte ihren Arm. »Du weißt davon?«
»Nicht viel. Nur dass es irgendwo dort oben versteckt ist.« Sie machte eine Pause. »Und dass es ein Ort der Furcht ist – und
war, lange bevor die Geister zum Berg kamen.«
»Weißt du, was Domnu mit dem
kleineren Hindernis
meinte?«
»Nein. Und ich will es nicht herausfinden.« Sie holte stockend Atem. »Es gibt allerdings ein Dorf in der Nähe der Klippen,
wo du vielleicht mehr erfahren kannst. Es ist ein schlimmer Ort. Voll mit …« Sie unterbrach sich. »Dieser
Art
Männer. Die noch nicht einmal ihre eigenen Fährten bemerken, die nur als Sport einen Hirsch töten. Nicht wie … nun, ein anderer Mann, den ich kenne.«
Einen Augenblick schien das Feuer hell auf ihre Wangen – und anscheinend auf meine. Plötzlich wurde ihr Gesicht finster. »Dieses
Dorf … ich bin nie dort gewesen. Und will nie hin! Aber mit dir ist es etwas anderes. Es war der Ort – wenigstens in meiner Kindheit –, wo die meisten Orakelsucher ihren Weg in die Klippen begannen. Dort weiß jemand vielleicht etwas Nützliches.«
Ich spürte, dass sie sich bald verabschieden wollte, und war traurig – zugleich aber auch dankbar für ihren Vorschlag. »Wenn
ich dorthin ginge, würde ich wahrscheinlich Zeit sparen.«
»Auch wenn es ein rauer Ort ist, der dich schließlich Zeit kosten könnte.« Sie seufzte. »Der größte Zeitverlust droht dir
allerdings, bis du das Orakel in seinem versteckten Tal gefunden hast. Wenn du nicht die richtigen Pfade kennst, kannst du
tagelang in den Klippen und dem Labyrinth der kleinen Hügel an
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