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Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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auf, biiitte«, kreischte eine fünfte Stimme, die klang, als kläffte ein Hund mit einem gebrochenen Bein. »Ich bin die
     einzigeee Stimme der Wahrheit! Du musst miiir glauben.«
    Unsicher machte ich einen Schritt auf das drehende Rad zu. Ich schaute durch den Kristallraum, von den Gesichtern zu Hallias
     besorgten Augen und auf den Knochenhaufen zu meinen Füßen. Dann holte ich langsam Atem und sagte zu allen fünf Stimmen zugleich:
     »Ich bin hierher gekommen, um die Wahrheit zu finden.«
    »Biiitte wähle miiich.«
    »Wähle mich! Befreie mich!«
    »Ssstille! Du mussst mich wählen oder du wirssst sssterben!«
    »Einer von fünfen schenkt dir das Leben; die anderen können nur Missklänge geben.«
    »Du musst – so eine Zwangslage, so eine Zwangslage – mich wählen!«
    Während die fünf lärmten, wurde das silbrige Licht der Kristalle ständig heller. Ich hob die Stimme über das Geschrei und
     sprach wieder das ganze Rad an. »Sagt mir, jeder von euch, warum ich euch wählen sollte.«
    Ein paar Sekunden lang schwiegen die Gesichter aufden Speichen. Nur das Knarren des drehenden Rads hallte im Raum. Doch das Licht der Kristalle wurde immer noch heller, bis
     die Wände fast zu sehr blendeten. Ich spürte, dass ich bald meine Wahl treffen musste, sonst würde die wachsende Kraft der
     Kristalle irgendwie explodieren – wie ein Blitzschlag – und aus mir einen weiteren Knochenhaufen machen. Ich winkte Hallia,
     damit sie sich in den Gang zurückzog, wo sie vielleicht sicherer war, doch sie blieb standhaft an ihrem Platz und blinzelte
     ins Licht.
    »Befreie mich!«, rief eine Stimme in die Stille. »Befreie mich und ich werde dich immer lieben. Denn ich und nur ich bin die
     Wahrheit des Herzens.«
    »Wähle mich!«, flehte eine andere. »Ich kann dir ssso viel mehr geben! Allen Wohlssstand, den du dir wünschssst, alle Macht,
     die du verdienssst. Denn ich bin die ssstärkste Wahrheit von allen, ja! Die Wahrheit der Hand.«
    »Wähle mich – welche Freude, welche Freude!« Die Stimme brach in Gelächter aus, dann jammerte sie plötzlich unglücklich. »Ich
     bin – solches Leid, solches Leid – die Wahrheit der Seele. Alles, was ich weiß, ob fröhlich oder traurig, wohltuend oder schmerzlich,
     kann dir gehören, nur dir.«
    »Biiitte«, bat die nächste Stimme. »Iiich kann dir Wunder und Geheimnisse bescheren! Denn iiich werde immer die Wahrheit des
     Unbekannten sein.«
    Die letzte Stimme, nur ein Flüstern, bot lediglich an: »Wahrheit des Geistes bin ich. Weisheit und Frieden bringe ich.«
    Inzwischen war das Licht so gleißend, dass ich noch nicht einmal mehr auf die rotierenden Gesicher sehenkonnte, von den Kristallwänden ganz zu schweigen. Die Kristalle hatte angefangen zu summen, als könnten sie kaum ihre schwellende
     Kraft zurückhalten. Innerhalb von Sekunden hatte der ganze Raum angefangen zu vibrieren. Ich wusste, meine Zeit war fast um.
    Ich zwang mich zum Nachdenken. Die Stimmen sprachen für verschiedene Wahrheiten – jede wichtig, jede kostbar. Wie die verschiedenen
     Teile vom Kreis der Geschichte, die Hallia, Eremon und ich gemeinsam erzählt hatten, als wir uns zum ersten Mal begegnet waren   …
    Wahrheit des Herzens, der Seele, der Hand, des Geistes, des Unbekannten. Wie konnte ich nur eine wählen? Was war die Wahrheit
     des Geistes ohne die Wahrheit des Herzens? Und die des Herzens ohne die der Seele?
    Meine Gedanken rasten, während die Stimmen, die Wände, das Rad auf mich einbrüllten. Der Boden bebte unter meinen Füßen. Was
     hatte Cairpré mir gesagt?
Eine, nur eine einzige davon, sagt die volle Wahrheit.
    Aber welche?
    Herz   … Hand   … Unbekanntes   … Seele   … Geist   … was sollte ich wählen? Die Wände bogen sich und schwankten. Ich konnte kaum das Gleichgewicht halten. Die Kristalle leuchteten
     wie Sterne.
    Sterne! Wieder hallten die Worte durch mein Gedächtnis:
Das große und herrliche Lied der Sterne.
Alle Worte, hatte Gwri gesagt, spielten eine Rolle in dem Lied. Alle Worte, alle Stimmen   … Könnte das die Antwort sein? Vielleicht war die Stimme der Wahrheit doch
nicht
eine der Stimmen, die ich hörte! Vielleicht war das eine ganz andere Stimme – die einzige Stimme, die als
Stimme der vollen Wahrheit
bezeichnet werden konnte.
    »Alle Stimmen!«, rief ich, hob die Hände zu dem rotierenden Rad und schrie noch einmal aus Leibeskräften: »Alle Stimmen sind
     wahr!«
    Sofort hörten Wände und Boden auf zu beben. Das Licht der Kristalle

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