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Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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hinunterfallen. Ohne zu überlegen stieß ich mich mit aller Kraft ab. Ich flog durch die Luft, nur vom wirbelnden
     Schnee getragen, und landete mit einem Plumps auf einem Gesims neben Hallia.
    Ihre Schulter rieb an meiner. »Du bist geflogen! Wirklich geflogen! Wie der junge Falke deines Namens.«
    Wieder erleuchtete ein Blitz den Himmel, ich schaute zu den Klippen hinauf. Zum ersten Mal, seit das Unwetter begonnen hatte,
     konnte ich ihre Umrisse sehen, die aufragten wie riesige Eiszapfen. »Glaubst du wirklich, dass es Eremon war? Oder vielleicht
     Dagda in Gestalt eines Hirschs?«
    Sie stellte die Ohren, eins nach vorn, eins nach hinten. »Hoffen wir, dass es Eremon war. Denn wenn Dagda hier ist, dann ist
     Rhita Gawr nicht weit.« Ihr Atem war wie eine Reifwolke. »Außerdem habe ich ihn ganz in der Nähe gespürt, näher, als ich sagen
     kann.«
    Mit dem Kopf an ihrem flüsterte ich: »Dann muss er es gewesen sein.«
    Wieder ein Blitz. Ich drehte mich zu den Klippen um, die im Licht leuchteten. Sie waren ganz in Weiß gehüllt bis auf die dunklen
     Flecken der Höhlen. »Der Sturm lässt anscheinend nach.«
    »Du kannst Recht haben.« Sie spähte durch den sich lichtenden Schneeschleier zu den Hängen über uns. »Komm! Ich glaube, jetzt
     weiß ich, wo wir sind.«
    Sie sprang davon und folgte schwachen Abdrücken im Schnee. Wir suchten unseren Weg durch die Wehen, traten Eisklumpen mit
     den Hufen weg und arbeiteten uns höher in die Klippen hinauf. Von irgendwo über uns hörte ich den schwachen Ruf von Dreizehenmöwen.
     Ich glaubte einen der Vögel sehen zu können, wie er aus den Wolken direkt über uns herabstieß.
    In diesem Moment drehte sich der Wind. Als er über uns wehte, brachte er einen neuen Geruch mit sich. Rauch   – Schwefelrauch. Und auch ein neues Geräusch, unheimlich und trillernd. Halb Seufzen, halb Geheul. Ein Schauder durchlief
     meinen langen Körper. Noch mehr Geister!
    Hallia stand so starr wie die Felsen. Ihre Ohren stellten sich auf, dann drehten sie sich leicht. »Dieses Geräusch – ist ganz
     anders als dieses schaurige Gelächter.«
    »Es könnten immer noch   … sie sein.«
    »Oder das Orakel.«
    Plötzlich stürmte sie höher den Hang hinauf. Schnell, so schnell, dass ich kaum mithalten konnte. Eissplitter brachen unter
     unseren Hufen, Schnee stäubte hinter uns. Unermüdlich liefen wir bergan. Die ganze Zeit kam uns das quälende Geräusch entgegen,
     mal lauter, mal leiser.
    Eine Nebelwelle, die nach Schwefel roch, wehte den Berg herunter. Wie eine Phantomlawine überrollte sie uns und hüllte uns
     völlig ein. Obwohl ich weiterstieg, konnte ich Hallia nicht mehr sehen. Sie war verschwunden – genau wie das unheimliche Heulen.
     Ich wollte sie rufen, da stieß ich plötzlich gegen ihre Flanke.
    Sie machte eine scharfe Wende. »Wir müssen vorbeigelaufen sein.«
    Schnell führte sie uns wieder den Hang hinunter und hielt nur an, um die Luft zu schnuppern oder die Ohren in die eine oder
     andere Richtung zu drehen. Allmählich wurde das Geräusch lauter, wir kamen näher. Plötzlich blieb Hallia stehen. Der Nebel
     vor uns teilte sich und enthüllte einen schwachen Schein zwischen den weißen Felsen.
    Eine Höhle! Im Gegensatz zu anderen, die wir gesehen hatten, schien sie von innen erleuchtet zu sein. Oder war das nur eine
     Illusion? Noch mehr peinigte mich jedoch das ständige Heulen, das aus ihrem Inneren drang. Lange standen wir da und horchten.
     Schaudernd erkannte ich: Es gab keinen Zweifel. Das Geräusch kam weder vom Wind noch von rutschenden Steinen – sondern von
     Stimmen. Gequälten, gemarterten Stimmen.

XXV
EINE STIMME VON VIELEN
    G emeinsam stemmten wir die Hufe auf die eisbedeckten Steine am Eingang der Höhle. Tief drinnen seufzten Stimmen und riefen,
     klagten und flehten. Obwohl ich keine Worte unterscheiden konnte, war der schmerzliche, wehmütige Ton nicht zu überhören.
     Hallia und ich tauschten ängstliche Blicke. War das tatsächlich der Weg zum Rad von Wye? Oder eine Falle, die uns die Berggeister
     stellten? Und gab es eine andere Möglichkeit, das festzustellen – als hineinzugehen?
    In Hallias Augen las ich, dass sie zum gleichen Schluss gekommen war wie ich. Gemeinsam traten wir in die Höhle. Auf unseren
     wortlosen Befehl nahmen unsere Körper andere Gestalt an. Wo noch vor einem Augenblick zwei Hirsche gewesen waren, standen
     jetzt eine barfüßige junge Frau und ein junger Mann in Stiefeln. Mein Seufzer mischte sich unter das

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