Merlins Drache 01 - Basilgarrad
eins seiner langen, knochigen Beine aus. Sofort fing er ihn wieder, diesmal im festen Griff seines Fußes. Der Reiher stand auf einem Bein im schilfbedeckten seichten Wasser und besah weiter eingehend seine Beute. Während er den schuppigen kleinen Körper von einer Seite auf die andere drehte, neigte er verwirrt den Kopf.
»Beim tiefen Blick von Dagda, was haben wir denn hier?« Das heisere Kreischen des Reihers übertönte das Rauschen des Bachs. Immer noch auf einem Bein hüpfte er ein bisschen näher an die Böschung, ohne den Griff zu lockern.
»Du bist kein Vogel«, schrie er, »auch wenn du eine Art Flügel hast. Falls man diese flapsigen federlosen Dinger Flügel nennen kann! Du bist kein Salamander mit diesen Ohren so groß wie Stechpalmenblätter. Und du bist keine Fledermaus, zumindest keine, die diesen Namen verdient. Was bist du dann? Eine Art hässliches Insekt?«
Ein Insekt?
Beleidigt und wütend knirschte der Salamander mit den Zähnen. Er gab sich alle Mühe,hochfahrend und gefährlich zu klingen – nicht einfach, wenn man im Fuß seines Feindes gefangen ist –, und erklärte: »Tatsächlich bin ich – nun … Ich bin ein äußerst gefährlicher …
Drachenkobold!
Ja, ja, ein Drachenkobold. Fähig, dich auf einen Happs zu fressen! Lass mich sofort frei, guter Vogel, wenn dir dein Leben lieb ist.«
Der Reiher klickte mit dem Schnabel und stieß dann aus tiefer Kehle ein lautes Kichern aus. »Was du auch sein magst, es muss etwas Komisches sein.«
»Mein guter Vogel, ich scherze nicht! Hör zu, ich befehle dir! Ich warne dich nur anständigerweise, bevor ich dich gnadenlos töte.« Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schnitt er eine Grimasse und zeigte einen Mund voll mikroskopisch kleiner Zähne.
Der Reiher lachte so heftig, dass sein Kopf auf den hochgezogenen Schultern auf und ab zu hüpfen schien. »Nun denn, Drachenkobold, du bist komisch, in der Tat. Und«, fügte er mit einem neugierigen Blick hinzu, »du stinkst. Du stinkst sehr.«
Überrascht schnüffelte der Salamander an sich. Tatsächlich, er roch stark – nach Basilikum. Es war nicht nur ein noch haftendes Aroma, was man erwarten konnte, wenn man so lange unter diesen duftenden Blättern geblieben war. Nein, der Salamander roch
selbst
wie ein Büschel Basilikum – als wäre er auch aus diesem Kraut gemacht. Doch wie war das möglich?
Der Reiher beobachtete ihn prüfend und drehte den Fuß, um ihn aus einem anderen Winkel zu sehen. Nacheinem Moment sagte er: »Du bist etwas Magisches, glaube ich.«
»Äh … ich?«, fragte der Salamander überrascht. »Du musst dich irr …« Er unterbrach sich, weil er plötzlich erkannte, dass der Vogel ihm eine unerwartete Möglichkeit bot. »
Natürlich
bin ich magisch. Alle äußerst gefährlichen Drachenkobolde sind das …«
»Pst«, befahl der große Vogel. »Bei den Federn meines Vaters, ich glaube, du hast die Fähigkeit, Gerüche zu erzeugen. Starke Gerüche. Ein seltenes Talent, in der Tat! Eins, dem ich bisher noch nicht begegnet bin. Und du scheinst mir geradeso überrascht zu sein, dass du wohl selbst nicht gewusst hast, was deine eigene Gabe ist.«
Völlig überrumpelt schwieg der Salamander. Konnte das wirklich wahr sein? Oder spielte der Reiher nur mit ihm, bevor er seine nächste Mahlzeit aus ihm machte?
»So eine Verschwendung«, sagte der Vogel und plusterte sein bläuliches Gefieder auf. »Eine Gabe zu haben und nichts davon zu wissen! Ich vermute, dass du den Basilikumgeruch erzeugt hast, damit du dich zwischen diesen Kräutern verstecken kannst. Bewusst oder nicht. Um in Sicherheit zu sein – wenigstens bis ein überlegener Jäger vorbeikommt.«
Er kicherte und sein Kopf hüpfte wieder auf den Schultern. Doch der Salamander, den er gepackt hielt, verstand den Witz nicht ganz und blieb still.
»Das verlangt nach einem Experiment«, kreischteder Reiher entschlossen. »Wenn ich recht habe – und bei den Flügeln des Windes, ich habe fast immer recht – kannst du auch andere Gerüche erzeugen.«
»Warte«, protestierte der Gefangene, der immer noch nicht sicher war, ob der Basilikumgeruch mehr als der Rest vom Aufenthalt im Kräuterbusch war. »Ich bin nicht …«
Der Reiher ignorierte ihn und fuhr fort. »Deshalb hier die Bedingungen. Hör zu. Dein kleines Leben hängt davon ab. Wenn du einen anderen Geruch erzeugen kannst – am liebsten einen angenehmen –, dann lasse ich dich los. Ja, ich lasse dich los! Ich lasse dich frei …
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