Merlins Drache 01 - Basilgarrad
Mich freut es
überhaupt nicht,
dich kennenzulernen.«
»Und jetzt, wenn ich darum bitten darf, könntest du mich doch loslassen, oder? Ich kann selbst fliegen.«
Nuic machte große Augen. »Nein, du willst mich wieder zum Narren halten. Diese vertrockneten, zerknitterten Blätter auf deinem Rücken sind doch bestimmt keine Flügel?«
»Genau das sind sie«, antwortete Basil, auf die Beleidigung ging er nicht ein. »Lass meinen Schwanz los und ich beweise es dir.«
Der Wind wurde stärker und hob beide höher. Unter ihnen lagen die hohen Gipfel von Olanabram, Berg um Berg mit großen Gletschern, die sich wie luftige weiße Schals an die Gebirgsschultern schmiegten.
Der Kobold lockerte seinen Griff. Basil öffnete die knochigen Flügel und schwebte frei davon, dann fing er einen Aufwind und drehte schnell hintereinander drei Saltos rückwärts. Danach flog er zurück zu Nuic – wobei er in sicherer Entfernung von den Fallschirmschnüren blieb – und die grünen Augen des kleinen Kerls leuchteten befriedigt.
»Noch etwas würde ich gern sagen«, erklärte Basil.
»Hmmmpff. Nur weil du fliegen kannst, bist du kein bisschen weniger unhöflich und frech.«
»Stimmt«, gab Basil zu, machte kehrt und schwebte hinüber auf Nuics andere Seite. »Aber da ist immer noch etwas, was ich gern sagen würde.«
Der Kobold färbte sich schlammig dunkelbraun. »Dann bring es hinter dich.«
»Ich wollte nur sagen … danke. Dafür, dass du mir dort unten das Leben gerettet hast.«
Nuics Grimasse änderte sich zwar nicht, doch einpaar feine rosa Schattierungen erschienen auf seiner Brust und an seinen Schläfen. Er knurrte: »Immer noch bist du unhöflich und frech, du Tölpel mit dem Ogerhirn.«
»Und dich kann man immer noch leicht zum Narren halten.« Basil kicherte und legte die Ohren flach an den Kopf.
»Du kannst froh sein – bleib mit diesen verflixten Flügeln weg von meinem Fallschirm, du Holzkopf –, dass ich zufällig gerade vorbeigekommen bin, als du kurz davor warst, auf einem Stein flachgelegt zu werden.« Nuic verzog das Gesicht und fügte hinzu: »Nach allem, was ich jetzt weiß, wäre es mir lieber, ich wäre einen Tag früher zur Hochzeit gekommen. Aber schließlich machen wir alle Fehler.«
Basil neigte die Lederflügel und schwebte näher. »Hochzeit? Wer heiratet?«
»Du bist wirklich ein blöder Tollpatsch! Wer wohl! Natürlich der Zauberer. Weißt du denn gar nichts?
Überhaupt
nichts?«
Überrumpelt murmelte Basil: »Nein, eigentlich weiß ich nicht viel. Und es kommt mir vor, als wüsste ich jeden Tag weniger.«
»Hmmmpff.« Der Kobold färbte sich etwas heller. »Manche Leute würden das ein Zeichen von Weisheit nennen. Obwohl ich persönlich es überaus …«
»Moment mal!«, unterbrach ihn Basil. »Hast du gesagt, es ist die Hochzeit eines
Zauberers
? Heiratet der Zauberer Merlin?«
»Wer sonst, du Humpelhirn? Zauberer gibt es nicht wie Sand am Meer, weißt du! Deshalb versammelt sich halb Avalon jetzt dort unten.« Stolz fügte er hinzu: »Die
eingeladene
Hälfte natürlich nur.«
Der Kobold zog an einem Fallschirmfaden, damit er dem höchsten Gipfel der Region zuflog, einem abgeflachten Berg, auf dem Schnee lag. Hunderte Geschöpfe aller Art hatten sich dort versammelt, sie bildeten einen Kreis auf dem Gipfel. Einige erkannte Basil nach Geschichten, die er im Lauf der Jahre gehört hatte, doch viele glichen keinem Geschöpf, das in Erzählungen vorgekommen war. Aber einer war dabei, den er sofort erkannte. Der Riese Shim, so hoch wie ein Gebirgsgipfel, saß direkt außerhalb des Kreises.
»Merlins Hochzeit«, sagte Basil verwundert. »Er ist also wirklich nach Avalon zurückgekehrt?«
»Nein, du mickriger Maulaffe! Er hat beschlossen, die ganze Sache zu versäumen. Gerade sitzt er an einem Ufer irgendwo auf der Erde und zählt Sandkörner. Wenn er eine Milliarde Milliarden hat …«
»Schon gut, schon gut.« Basil ärgerte sich über seine eigene Begriffsstutzigkeit. Er flog eine Weile neben dem Kobold her und sah weitere Gäste aller Art auf den Berg klettern, weil sie bei der Hochzeit dabei sein wollten. »Sieht aus, als wären alle Geschöpfe dabei, die man sich nur vorstellen kann.«
»Ja, und manche, die man sich
unmöglich
vorstellen kann. Wirklich, es werden Leute aus jeder Ecke allersieben Wurzelreiche da sein. Praktisch Vertreter jedes Volks von Avalon.«
»Ist Merlin schon angekommen?«
»Dort drüben am Rand des Kreises. Siehst du seine schwarzen Haare und
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