Merlins Drache 01 - Basilgarrad
hatte vermutlich nicht richtig gehört. »Ein … was?«
»Ein einziges Sandkorn, ein Bröckchen Erde oder einen kleinen Stein. Ein Stück von diesem magischen Ort.«
Erleichtert seufzte der Salamander. »Nun, das sollte nicht zu schwierig sein.«
»Und dann«, fuhr Dagda fort, »möchte ich, dass du es schluckst.«
»
Was
soll ich?«
»Es schlucken, mein Sohn. Nimm dieses Sandkorn in dich auf – und alle Geheimnisse, die es birgt.« Die runden Augen des Hirschs leuchteten. »Verstehst du, ich möchte, dass du mehr tust als nur durch deine Welt reisen. Ich möchte, dass du deine Welt
wirst.
Nimm sie in dich auf! Schmecke sie, schlucke sie ganz. Mit ihren Wundern. Ihren Mysterien. Ihren Geheimnissen.«
»So?« Basil schlug seinen Schwanz gegen einen der Quarzkristalle des Felsklotzes, dessen Facetten so viele brutale Bergstürme ertragen mussten, dass sie angefangen hatten zu splittern und abzubrechen. Ein kleiner Kristallsplitter brach ab, funkelnd flog er durch die Luft. Mit der Leichtigkeit eines erfahrenen Insektenjägers fuhr Basil herum und schnappte zu. Dann schluckte er seine Beute – ein winziges Stück Steinwurzel.
Sofort blitzte das Licht der Kristalle in seinem Kopf auf.
Ich bin Stein,
erklärte eine tiefe, knurrende Stimme, mit den Jahren erfahren und weise geworden.
Ich habe im Bauch eines Sterns gebrannt,
fuhr die Stimme fort,
bin in einem Lavafluss getrieben, habe Blitzkeile eingeatmet und kostbare Edelsteine ausgeatmet. Die Zeit hat mich auseinandergerissen, eingeschmolzen, zusammengemischt, flach gepresst und dann großgezogen. Doch ich habe es ertragen. Denn ich bin Stein – der Körper der Berge, das Becken der Meere, der Geburtsort der Kristalle.
Basil saß auf dem Stein und blinzelte erstaunt. Erkonnte immer noch das schwache Echo der knurrenden Stimme hören.
Dagda fing seinen Blick auf und sagte beifällig: »Ja. So.«
»Aber wie …«
»Betrachte es einfach als Teil meines Geschenks für dich, mein Sohn.« Der Hirsch hob den Kopf. Die Wunde unten an seinem Geweih hatte aufgehört zu bluten, war aber immer noch geschwollen und verfärbt.
»Du hast gesagt«, erinnere ihn Basil, »dass es
zwei
Bitten gibt.«
»Ja.« Der Hirsch machte plötzlich ein ernstes Gesicht. »Hier ist die zweite.«
Er schaute sich erneut um und trat dann so nah auf Basil zu, dass seine Nase fast die Salamanderschnauze berührte. Basil spürte Dagdas warmen Atem auf seinem Gesicht. Als der Geisterherr endlich sprach, flüsterte er so leise wie möglich – und Basil verstand sofort: Dagda wollte nicht riskieren, dass Rhita Gawr, falls er in der Nähe war, seine Worte hörte.
»Finde Merlin«, sagte der Hirsch eindringlich. »Du
musst
Merlin finden.«
Basil schaute überrascht zu ihm auf. »Damit ich ihn wegen meines Traums warne?«
»Das – und mehr …« Dagda kniff grimmig die Augen zusammen. »Er muss gewarnt werden, dass Rhita Gawr …«, der Hirsch hustete, als würden ihm die Worte in der Kehle brennen, »… Avalon betreten hat!Merlin ist der Einzige, der alle Geschöpfe dieser Welt führen kann, um den bösen Geist zu finden und ihn zu bekämpfen, wenn nötig. Und Merlin ist
auch
der Einzige, den Rhita Gawr am liebsten vernichten möchte.«
Er hielt inne und schaute in Basils grüne Augen. »Du siehst also … ganz Avalon ist jetzt in Gefahr. Aber niemand – kein Einziger – ist in größerer Gefahr als Merlin.«
Der Salamander schluckte. »Weißt du, wo Merlin jetzt ist? In welchem Reich?«
Dagda schüttelte den Kopf und flüsterte dann: »Er könnte überall in Avalon sein – in jedem der sieben Reiche. Aber eins weiß ich: Er sucht im Moment ein schrecklich gefährliches Geschöpf. Ein Kreelix – den größten Todfeind, dem ein Zauberer begegnen kann.«
Als Basil das hörte, verzog er das Gesicht. Als wäre alles nicht so schon schlimm genug! Er legte den Kopf schief und fragte: »Könntest du mir mehr erzählen? Ich habe noch nie von einem Kreelix gehört.«
»Das, mein Sohn, hängt damit zusammen, dass sie vor langer Zeit verschwanden. Niemand hat sie seit den letzten Tagen von Fincayra mehr gesehen, und jeder glaubte, in Avalon gebe es sie nicht. Bis vor Kurzem! Jetzt wurde eins gesehen, und Merlin ist aufgebrochen, es zu suchen – und es daran zu hindern, alles völlig zu verwüsten.«
Dagda kniff die Augen noch mehr zusammen und flüsterte halb, halb knurrte er. »Du musst wissen, dassein Kreelix Flügel hat – riesig, gezackt und knochig. Damit erdrückt
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