Merlins Drache 01 - Basilgarrad
blutunterlaufenen Auge.
»Ich fürchte«, bemerkte Dagda, »dass du dir Rhita Gawr zum ständigen Feind gemacht hast.«
Basil schüttelte die widerliche Erinnerung ab, hob den kleinen Kopf und sagte resolut: »Es gibt keinen, dessen Feind ich lieber wäre.«
Obwohl es manchem komisch erschienen wäre zu hören, wie ein schmächtiges Geschöpf mit zerknitterten Flügeln sich zum Feind eines unsterblichen Kriegsherrn erklärte, lachte Dagda nicht. Stattdessen erklärte er: »Avalon ist glücklich über dein tapferes Herz.«
Der Hirsch kickte mehrere Steine zur Seite, als hoffte er immer noch, den Blutegel zu ertappen. Weil er nichts sah als flechtengefleckte Steine, wandte er sich wieder Basil zu. Mit einem Seufzer sagte er: »Ich prophezeie dir, dass dein mutiges Herz viel zu bald gebraucht wird. Ebenso die mutigen Herzen anderer. Denn Rhita Gawr bringt nur Böses in dieses Land.«
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass er hier in Avalon ist! Weißt du noch, was du bei Merlins Hochzeit gesagt hast? Dass Avalon ein Ort ist, den Rhita Gawr nie berührt hat.«
Der Hirsch schüttelte den Kopf und ließ die Geweihenden durch die Luft rauschen. »Das stimmt nicht mehr. Er ist hier – und nur zu einem Zweck: um diese Welt zu erobern.«
»Kannst du nicht hierbleiben? Und uns helfen, ihn zu besiegen?«
Düster schüttelte der Hirsch den Kopf. »Nein, mein Sohn. Das mache ich nicht: Anders als unser Feind habe ich versprochen, nie das Gesetz des freien Willens zu brechen – mich nie in die Entscheidungen Sterblicher zu mischen, Entscheidungen, die ihre Welt gestalten.«
»Aber …«, protestierte Basil, »Rhita Gawr …«
»Ist jetzt entdeckt worden. Deine Welt ist gewarnt.« Als er den Zweifel in Basils Gesicht sah, fuhr Dagda fort: »Wenn Avalon gerettet werden soll, wenn es alles werden soll, was es werden könnte – dann wird das freien Willen erfordern. Wenn Frieden über Krieg siegen soll, wenn Arroganz und Gier aufhören sollen – dann ist auch dazu freier Wille nötig. Denn alle diese würdigen Ziele beruhen auf Entscheidungen, wichtigen Entscheidungen, die nur von Sterblichen wie dir getroffen werden können.«
»Wie mir?«, fragte der Salamander niedergeschlagen. »Was liegt schon an meinen Entscheidungen? Ich bin nur ein kleines Tier, kleiner als ein Fichtenzapfen, das noch nicht einmal weiß, was es wirklich ist.«
Dagda betrachtete ihn einen Moment nachdenklich. Dann sagte er sanft: »Dein Gewicht mag sehr gering sein, mein Freund – aber du kannst es benutzen. Und selbst ein geringes Gewicht kann die Balance des Schicksals verändern.«
Basil schaute zu dem Hirsch auf und war nicht sicher,was er von diesem sonderbaren Gedanken halten sollte. Dann kam ihm wie ein schwaches Echo das in den Sinn, was Dagda bei Merlins Hochzeit gesagt hatte:
Genau wie das kleinste Sandkorn eine Waagschale senken kann, so kann das Gewicht des Willens einer Person eine ganze Welt heben.
Plötzlich fiel Basil eine andere Frage ein. Vorsichtig erkundigte er sich: »Als du gesagt hast, Drachen hätten manchmal den Blick … hast du da gemeint, äh – wolltest du damit sagen, hmm … ich sei, so verrückt es klingt, tatsächlich eine Art …«
»Drache?« Der Hirsch schüttelte das massive Geweih von einer Seite zur anderen und antwortete entschieden: »Nein. Bestimmt nicht.«
Obwohl Basil nicht im Geringsten überrascht war, spürte er doch einen leichten Stich der Enttäuschung.
Jede
Antwort auf die Frage, wer er wirklich war, egal wie weit hergeholt, wäre willkommen gewesen. Und einen Augenblick lang hatte er trotz allem, was er wusste, fast zu hoffen gewagt, dass er eines Tages etwas so Großes und Mächtiges wie ein Drache sein könnte.
»Was bin ich denn dann?«, fragte er klagend. »Kannst du mir das sagen?«
Dagda betrachtete ihn mit seinen tiefgründigen Augen. »Ich kann nicht sagen, was du bist oder was du werden könntest.« Seine Bassstimme hallte von den Felsen wider, als er hinzufügte: »Aber ich bin sicher: Was du auch sein magst, du bist nicht nur ein Drache.«
Basil hustete vor Überraschung. »Nicht nur ein Drache?Sie sind die mächtigsten lebenden Geschöpfe! Sie können …«
»Trotzdem«, unterbrach ihn Dagda, »bist du
etwas anderes.
«
Basil raschelte mit den kümmerlichen Flügeln und fragte: »Was?«
Statt zu antworten, drehte sich der Hirsch um und trottete langsam um den Felsklotz, auf dem Basil saß. Während er ihn umkreiste, klapperten seine Hufe auf den
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