Merlins Drache 01 - Basilgarrad
außerhalb des Windfängers, außerhalb des Wolkenreichs von Luftwurzel, außerhalb der Grenzen der Welt entstanden zu sein schien.
Das schwache Flüstern nahm zu, wurde lauter. Dann meldete sich eine andere flüsternde Stimme und noch eine. Die Stimmen nahmen ständig zu, ebenso ihre Kraft. Allmählich füllte ein Flüsterchor die Luft – und mit ihm eine Bewegung, Betriebsamkeit.
Ein Rauschen von Winden. Viele Winde wurden plötzlich lebendig.
Der Wind nahm an Stärke zu, er schwoll zu einem Sturm an und brauste im Bauch des Ungeheuers. In diesem beschränkten Raum blies er heftig in alle Richtungen. Schleimbrocken brachen los, zerplatzten bei kräftigen Windstößen und prasselten auf Basils Schuppen. Seine kleinen Nasenlöcher blähten sich nicht vom eigenen Atem, sondern von den Wirbelwinden um ihn herum.
Bald wurden aus dem Flüstern Klagen, und die Klagen schwollen zu Gebrüll. Basils Körper hob sich von der schleimigen Fläche und wirbelte durch die Luft, schlug an eine Rippe und rollte hinunter zu einer Stelle, an der er vom Wind wieder hochgehoben und anderswohin geschleudert wurde.
Jetzt fing der Windfänger an, sich zu wälzen und zu verdrehen, offensichtlich weil ihn dieser innere Sturm quälte. Je heftiger die Winde in seinem Bauch wurden, umso mehr verkrampfte sich sein Körper. Basil spürte, dass das Ungeheuer flog und über seinem Reich schwebte, während es unter den ansteigenden Schmerzen in seinem Inneren litt. Doch das Maul öffnete sich nie zu einem Schrei. Die fingerbesetzten Kiefer blieben geschlossen, denn wenn sie sich auch nur einen Spalt weit öffneten, könnte die Beute entkommen.
Der Sturm nahm zu. Doch plötzlich veränderte er sich. Statt hektisch im engen Raum zu toben, stießen die Winde abrupt mit aller Kraft nach außen. Basil wurde mit dem Gesicht voran in eine schleimige Wand geschleudert, doch statt sofort an einen anderen Fleck geblasen zu werden, blieb er dort mit gespreizten Beinen, unfähig, auch nur einen Muskel zu bewegen. Er konnte weder seine Flügel strecken noch den Schwanz heben oder die Ohren drehen, so drückte die Kraft der Winde auf ihn.
Diese Kraft wuchs. Bald hatte Basil Schwierigkeiten zu atmen, so stark wurde auf seinen Rücken gedrückt. Während der Schleim unter ihm eine Art Kissen bildete und ihn davor bewahrte, völlig platt gedrückt zu werden, spürte er einen ansteigenden Schmerz überall in seinem Körper – das Gesicht, die Augen, die Brust, alles tat weh. Er wollte aufschreien, doch er bekam nicht genug Luft. Der Druck nahm zu. Er konnte garnicht mehr atmen. In seinem Kopf drehte sich alles, ein lautloser Schrei füllte sein Hirn.
Etwas stimmt nicht! Aber ich kann … nichts machen.
Dunkelheit umfing ihn. Bis auf den ständigen Schmerz spürte er immer weniger. Er konnte nicht atmen, nicht denken, nichts fühlen. Nur vage wurde ihm bewusst, dass die Fläche unter ihm anfing zu vibrieren, immer stärker bebte sie. Und dann, gerade bevor er ohnmächtig wurde, hörte er ein fernes
Krackck.
Nicht seine Rippen brachen. Auch nicht seine Knochen. Nein, es war der Windfänger: Sein Körper fing an nachzugeben.
Plötzlich brach das Ungeheuer auseinander – das Monster, das so viele Windschwestern in seinem Leben geschluckt, das Aylah und das kleine Bröckchen von einem Salamander, den sie trug, nur für eine andere Mahlzeit gehalten hatte. Der Windfänger explodierte hoch über den Wolken von Luftwurzel und kreischte vor Schmerz. Knochensplitter und stinkender Schleim aus seinem zerrissenen Bauch regneten auf die Wolken. Der ersterbende Schrei verklang bald, wurde von den blasenden Winden weggetragen.
Leider wusste Basil gar nichts von alldem. Denn sein bewusstloser Körper war von der Explosion in die Luft geschleudert worden. Hilflos fiel er, wirbelte dem entgegen, was unter ihm war.
24
Freier Fall
Luft ist Substanz, Träger der Flügel. Luft ist Leben, die Essenz des Atems. Und Luft ist Freiheit, der Lebensraum der Hoffnung.
B asil erwachte zur Sensation des Atmens, ein Gefühl, das er nie wieder für möglich gehalten hatte. Luft, kühl und dunstig, strömte in seinen Körper und erweckte seinen Geist. Er saugte mehr von dem Zauberhauch ein.
Sind wir entkommen?
Diese Hoffnung stieg in ihm auf und füllte seine Gedanken, wie die Luft seine Lungen füllte.
Harfensaiten! In der Ferne hörte er ein heiteres, triumphierendes Zupfen. Und doch … war etwas falsch.
Er öffnete die Augen. Er fiel! Er drehte sich durch zerfetzte
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