Merlins Drache 01 - Basilgarrad
könnten wir sie erreichen.«
»Mit den Geistern sprechen? Niemand weiß, wie.«
Basil klopfte aufgeregt mit dem kleinen Schwanz. Das Echo schwoll an, ringsum war Trommeln zu hören. »Aber vielleicht könnten sie uns helfen.«
»Nein, kleiner Wanderer.« Sie flüsterte so leise, dass er sie kaum hörte. »Sie könnten uns nicht hhelfen. Niemand kann hhelfen.«
»Das glaube ich nicht!« Seine Piepsstimme wurde tiefer vor Dringlichkeit. »Bitte, Aylah. Versuch es mit mir. Versuch es einfach.«
Sie stieß einen unglücklichen Seufzer aus. »Nun gut. Aber erwarte nicht, dass deine Idee Erfolg hhat.«
»Das erwarte ich nicht.« Er trommelte immer noch mit dem Schwanz auf die Rippe. Abrupt hörte er auf und wartete, bis das Echo verklungen war, bevor er wieder sprach.
»Und doch gibt es etwas«, sagte er in die Stille, »was ich nicht vergessen kann. Etwas Wichtiges.«
Aylah sagte nichts. So still war es im Bauch des Windfängers, als wäre Basil ganz allein. Doch er sprach weiter.
»Du weißt, wie selbst die winzigste Brise, so schwach, dass es sie kaum gibt, dennoch ihre eigene Kraft hat?« Als Basil keine Antwort hörte, schluckte er, dann fuhr er fort: »Und wie diese kleine Brise manchmal auf eine erlöschende Glut blasen kann, auf den letzten Rest eines Feuers, das zu nichts heruntergebrannt ist?«
Stille.
»Nun … manchmal, Aylah, ist diese winzige Brise stark genug, die Glut heißer und heißer zu blasen – bis sie schließlich in eine Flamme ausbricht.«
Er hob den Kopf, obwohl ihm das schwerer als jezuvor erschien. »Aylah … vielleicht, nur vielleicht …
können wir diese Brise sein.
«
Nur Stille folgte auf seine Worte. Basil wartete, er hoffte, irgendeine Antwort zu bekommen. Doch Aylah schwieg.
Langsam senkte er den Kopf. Da kam von irgendwo bei seinem Gesicht ein Flüstern.
»Was soll ich tun?«
»Nur das: Schick deine Gedanken zu deinen Schwestern! Zu allen ihren Geistern, die noch in diesem elenden Biest überleben. Sag ihnen, dass wir ihre Hilfe brauchen – es ist nötig, dass sie mehr als nur Geister sind. Sie müssen sich mit Luft füllen und …«
Er unterbrach sich, er wusste nicht genau, was er noch sagen sollte.
» … und tun«, ergänzte Aylah, »was der Wind tun würde.«
Basil nickte dankbar. »Was der Wind tun würde.«
Er holte tief Luft und versuchte, seine Gedanken von allem anderen zu lösen – dem klebrigen Schleim unter seinen Füßen, dem grauenhaften Gestank, der Verzweiflung, die gleich hinter seinen Gedanken lauerte. Langsam verblassten alle diese grimmigen Realitäten – nicht sehr, aber genug, damit er an etwas Neues denken konnte.
Windschwestern, hört mich! Wo immer ihr seid in diesem Ungeheuer. Erwacht und erinnert euch daran, wer ihr vor langer Zeit wart. Helft eurer Schwester Aylah und mir.
Er hielt inne und horchte. Auf was, wusste er eigentlichnicht. Aber er hörte nichts Neues, spürte überhaupt keine Veränderung.
Windschwestern, bitte. Erinnert euch an euer verlorenes Leben. Eure verlorene Freiheit. Kommt zurück, wenn ihr könnt!
Immer noch keine Veränderung.
Basil versuchte, tiefer in seine Gedanken zu dringen, sich das Leben einer Windschwester vorzustellen – das Gefühl immerwährenden Flugs, ungebremster Bewegung, unbegrenzter Form. Er versuchte, die Erregung einer Windschwester bei der ständigen Bewegung zu spüren. Ihr innerstes Bedürfnis, zu fliegen, zu schweben, sich zu bewegen. Und ihre Angst vor Einengung, die ihrem Leben fremd war wie dem Sein das Nichts.
»Fliegt wieder«, sagte er in die Dunkelheit. »Fliegt wie der Wind.«
»Ja«, wiederholte Aylah, »fliegt wieder.« Das Echo ihrer und seiner Worte wurde von den Wänden zurückgeworfen.
Schwach fühlte Basil am Rand seiner Ohren die leiseste Andeutung einer Bewegung. War es Luft?
Wahrscheinlich nur Aylah,
dachte er.
Sie regt sich ein wenig. Oder vielleicht bewegt sich das Ungeheuer wieder,
dachte er.
Nein, warte –
Die Luftbewegung wurde stärker. Er spürte, wie Wind seinen Rücken ganz schwach streifte, wie er seine Schnauze gerade noch berührte. Eine Schuppe an seinem Hals, die seit einem Fall auf Steine locker saß, zitterte wie ein Blatt in einer nahenden Brise.
Dann vernahm er am äußersten Rand seines Gehörs ein Geräusch. Das geflüsterte Flüstern eines Flüsterns. Es schien nicht von Aylah zu kommen, sondern von irgendwo in der Nähe, im Bauch des Ungeheuers, zugleich aber auch von merkwürdig weit weg – so weit weg, dass es
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