Merlins Drache 01 - Basilgarrad
eines Minzgeruchs, früher so leicht wie das Aussprechen des eigenen Namens, fühlte sich jetzt an, als müsste er einen Stein einen steilen Hügel hinaufstoßen.
Und Aylahs Frage konnte er immer noch nicht beantworten.
Eine kleine Weile dachte ich, mein Leben könnte einen Zweck haben. Einen Sinn. Und dass ich beim Verfolgen dieses Zwecks vielleicht herausfinden könnte, wer ich bin.
Er brummte und machte ein Geräusch wie Kiesel, die aneinanderreiben.
Soll alles im Bauch dieses Untiers enden?
Er horchte auf das unaufhaltsame Tropfen desSchleims. Wenn er sich an die feuchte Wand lehnte, konnte er spüren, wie der Körper des Windfängers sich auf die Seite legte, während er im Flug wendete.
Ist das alles, was mein Leben bedeuten soll? Sonst nichts?
Lange Zeitspannen vergingen, ohne dass einer der Gefährten redete. Was gab es noch zu sagen? Warum die Anstrengung eines Gesprächs auf sich nehmen? Sie starb, er konnte kaum überleben. Diese beiden einfachen Tatsachen fassten alles zusammen.
Doch schließlich kam ein Tag, an dem Basil zu seiner eigenen Überraschung erkannte, dass er eine Frage hatte. Während er auf einer Rippe saß, an einem besonders ranzigen Schleimklumpen kaute und versuchte, nicht zu würgen, dachte er an etwas, das ihn seit ihrer Gefangennahme schwach beschäftigt hatte. Die Frage war nie wichtig genug erschienen, sie zu stellen. Aber jetzt sprudelte sie endlich an die Oberfläche wie ein schwacher Wasserstrahl, der lange unbemerkt unter einer Wüste geflossen war.
»Aylah«, sagte er leise und zögerte, die Stille zu stören, die sie einhüllte wie ein schwerer Umhang. »Ich habe eine …«, er hielt inne und zwang sich, den klebrigen Schleim zu schlucken, »eine Frage.«
Die Windschwester antwortete nicht. Ob sie zu schwach zum Reden war oder zu verzweifelt, um zuzuhören, erriet er nicht. Doch er fand, er könne geradeso gut weitersprechen.
»Die meisten Geschöpfe müssen Nahrung zu sich nehmen, nicht wahr? Windschwestern vielleicht nicht,aber alle anderen. Einschließlich dieses Ungeheuers, das uns verschlungen hat.«
Aylah schwieg immer noch, sie stieß nur einen langen leisen Seufzer aus, der mehr wie ein Stöhnen klang.
Basil schluckte wieder, er versuchte, den scheußlichen Geschmack auf seiner Zunge loszuwerden, dann fuhr er fort: »Aber ich verstehe nicht,
warum
dieser Kerl dich fressen wollte. Was nützt es ihm, den Wind zu schlucken? Ich meine … du bist nicht gerade ein großer Brocken Fleisch oder irgendein Obst.«
Eine lange Stille entstand, nur unterbrochen vom Patschen der Füße Basils, als er auf der Rippe zu einem etwas trockeneren Fleck hinaufstieg. Endlich antwortete ihm Aylah.
»Der Windfänger will mich nicht als Fleisch oder Obst oder irgendwas, das du Nahrung nennen würdest. Er will mich … wegen meines Geistes.«
Basil hob ruckartig den Kopf. »Deines was?«
»Meines Geistes, kleiner Wanderer. Danach hhungert er. Die Energie meiner Seele. Verstehst du, wenn ich zu schwach werde, kann ich meinen Geist nicht mehr in mir hhalten. Also wartet der Windfänger, bis ich mich nicht wehren kann … dann nimmt er meinen Geist in sich auf! Erst dann wird er zufrieden sein. Und erst dann wird er wieder jagen und eine andere Windschwester suchen.«
Basil schauderte. Den Geist eines anderen zu verschlingen! Nie, solange er lebte, hatte er so etwas gehört. Selbst wenn ein Klauenkondor ein anderes Geschöpfzum Vergnügen ermordete, lebte wenigstens der Geist dieses Geschöpfs weiter und machte die Reise zur Anderswelt. Aylahs schreckliche Voraussage hing in der Luft wie ein Geruch, der noch schlimmer stank als der Schleim.
Plötzlich hatte er eine Idee – und dazu die Andeutung eines bizarren, irrationalen Plans. »Aylah«, sagte er eifrig, »was geschieht, wenn das Untier den Geist einer Windschwester in sich aufnimmt? Verbindet der sich mit dem Geist des Monsters? Oder bleibt er irgendwie intakt?«
»Was macht das schon aus?«
»Sag es mir einfach.«
»Warum?«
»Sag es mir, Aylah!«
Eine lange Pause entstand. Schließlich flüsterte sie niedergeschlagen: »Ich weiß nicht, was geschieht.«
In der Finsternis runzelte Basil die kleine Stirn. »Schon gut … aber lass uns einfach annehmen, der Geist bleibt unversehrt.«
»Das wissen wir nicht.«
»Nimm es einfach an. Wenn es stimmt, dann sind die Geister aller Windschwestern, die dieser Kerl in all den Jahren seines Lebens je gefressen hat, irgendwo hier drin. Und vielleicht …
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