Merlins Drache II - Die Große Aufgabe: Roman
beeindrucken – die Person, an deren Meinung ihm am meisten liegt.«
»Dich natürlich.«
»Nein!« Sie funkelte ihn wütend an. »
Dich.
Seinen Vater.«
Merlin schaute ihr ins Gesicht, er war wirklich verblüfft. »Mich?«
»Wie sonst, ohne irgendwelche eigene Magie, soll er sich beweisen?« Ihre Stimme sank zu einem zittrigen Flüstern. »Wie sonst kann er zeigen, dass er es wert ist, Merlins Sohn zu sein?«
Der Zauberer antwortete nicht. Er drehte sich nur um und starrte in die wabernden Flammen.
6
Magische Funken
Es ist leicht, eine neue Sprache zu lernen – selbst die Unterwasserworte der Meeresbewohner oder den Flüsterpfiff der Wolkenfeen –, im Vergleich zu der Aufgabe, ein Kind anders zu erziehen, als du erzogen wurdest.
Z wei Wochen später saßen Merlin und Basilgarrad an einem knisternden Lagerfeuer in der Vulkanregion. Auch wenn diese Flammen entschieden anders waren als das grüne Feuer der Pforte, an der er mit Krystallus gestritten hatte, beobachtete der Zauberer sie gedankenverloren mit der gleichen stillen Niedergeschlagenheit.
Der Drache hatte sich inzwischen bei einer Reihe kleiner Vulkane niedergestreckt. Immer wenn einer ausbrach und einen ärgerlichen Schwall Lava in die Luft spuckte, rollte er sich lediglich herum und zerquetschte ihn. Wie sollte er ihn sonst zur Ruhe bringen? Unglücklicherweise fand die Lava meistens ihren Weg zu einem anderen Vulkan, sodass er auch diesen zusammendrücken musste. Das ging so bis inden Abend hinein, als sich das Reich um sie herum verdunkelte. Schließlich stieß Basilgarrad einen tiefen Drachenseufzer aus. Vulkane konnten so nervig sein! Noch ein Grund, warum er Feuerwurzel nicht mochte.
Als Merlins Freund wusste er, dass der Versuch sinnlos war, den Zauberer zum Reden zu bringen, bevor er bereit dazu war. In der ganzen Zeit seit dem Streit mit seinem Sohn hatte Merlin nicht darüber gesprochen – außer mit Hallia. Bald nach der Abreise des jungen Mannes hatte das Ehepaar einen langen (und, nach ihren Gesichtern bei der Rückkehr zu urteilen, tränenreichen) Spaziergang gemacht. Dann, nach einer melancholischen Umarmung Hallias, hatte Merlin den Drachen gebeten, sie zu bringen, wohin sie wollte – zu einem ihrer liebsten Plätze, einer hügeligen Landschaft mit Wiesen und lichten Wäldern im Herzen von Waldwurzel, die vom Hirschvolk die Sommerländer genannt wurde. Als Basilgarrad zurückkam, wollte der Magier nur über die Arbeit reden – und schlug vor, eine Art Waffenstillstand zwischen den Feuerdrachen und den Zwergen auszuarbeiten. Obwohl Basilgarrad ahnte, dass noch etwas anderes Merlin bedrückte, etwas viel Mächtigeres als diese Fehde in Feuerwurzel, ahnte er zugleich, dass der Zauberer immer noch nicht bereit war, es zu erklären.
Mit der Zeit,
sagte er sich.
Mit der Zeit wird er es mir sagen.
Leider waren ihre Bemühungen um einen Waffenstillstand jämmerlich gescheitert. Sosehr sie sich auch anstrengten, sie konnten noch nicht einmal ein Gespräch mit den Feuerdrachen beginnen. Immer wenn Merlin erschien, wollten die Drachen ihn nur umbringen. Und wenn er sich mit Basilgarrad sehen ließ, flohen sie sofort in ihre Verstecke.
Die Versuche, mit den Zwergen zu reden, erwiesen sich als ebenso vergeblich – aus anderen Gründen. Sie zeigten zwar große Dankbarkeit dafür, dass Merlin und Basilgarrad ihnen zu Hilfe gekommen waren, doch den Zwergen gefiel der Gedanke offenbar gar nicht, ihre Arbeit – oder ihren Reichtum – mit den gierigen Drachen zu teilen. Sie hörten skeptisch zu, als Merlin einen möglichen Vertrag beschrieb, laut dem die Drachen schwere Arbeit bei unterirdischen Grabungen übernehmen und Erz mit ihrem Feuer schmelzen könnten. Dafür sollten sie einige Edelsteine bekommen, die ausgegraben worden waren. Aber kaum hatte Merlin ausgeredet, da ertönte eine laute Stimme: »Bah! Genauso gut könnten wir ihnen alle unsere Schätze sofort geben.«
Der Zauberer kannte die Stimme gut. Sie gehörte Zorgat, dem Ältesten und Anführer der Zwerge, von dem Merlin gehofft hatte, er würde die Weisheit seiner Worte erkennen. Der alte Zwerg mit dem silbernen Bart, der bis auf die Stiefel reichte, stand still wie ein Stein, die Arme über der Brust gekreuzt. Nochnicht einmal der Zwergrabe auf seiner Schulter, der hin- und herhüpfte und gelegentlich an seinem Ohr knabberte, lenkte ihn ab. Er starrte Merlin nur grimmig an.
»Mein Freund Zorgat«, hatte der Zauberer erwidert, »willst du nicht wenigstens …«
»Nein!«
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