Merlins Drache II - Die Große Aufgabe: Roman
aufgeben, da schaute er zum letzten Mal auf dieKarte. Sein Herz war schwer, denn er hatte wirklich gehofft, dass sie ihm helfen würde.
Etwas veränderte sich! Der Pfeil auf dem dekorativen Kompass fing wunderbarerweise an sich zu drehen. Immer schneller drehte er sich, bis alles verschwommen war. Die Ecken und Falten der Karte verdunkelten sich inzwischen leicht und bekamen eine goldene Farbe. Zugleich wirbelten hellbraune Wolken auf dem übrigen Pergament. Während die beiden gespannt zuschauten, vereinigten sie sich zu erkennbaren Formen.
»Das ist Avalon – die Wurzelreiche!«, rief Tressimir. »Jetzt … kommt die Karte näher und konzentriert sich auf ein Reich.«
»Lehmwurzel«, erklärte der Drache. Besorgt schaute er kurz zum Himmel. »Aber
wo
in Lehmwurzel?«
Als würde die Karte antworten, bewegte sich ihr
Bild nach Norden vorbei an den Ebenen von Isenwy, vorbei an den Dschungeln von Africqua. In den nördlichsten Bezirken des Reichs zeigte die Karte die dunklen, gespenstischen Umrisse eines großen Sumpfs.
»Das verhexte Moor!«
Als die Stimme des Drachen über die Wiesen hallte, rief einer der Zentauren: »Die Zeit zum Kämpfen ist gekommen! Wir stehen den Drachen in der Luft, den Flamelons auf dem Land gegenüber. Gib uns deinen Befehl, Basilgarrad!«
Der große Drache hob den Kopf und brüllte: »Alle von euch, die galoppieren können – Zentauren, Pferde und Hirsche –, teilt euch in zwei Gruppen und greift die Flamelons von beiden Seiten an. Elfen, macht guten Gebrauch von euren Bogen! Dann, alle zu Fuß, ihr müsst die Mitte attackieren, um ihre Reihen zu teilen. Zeigt ihnen euren Zorn – während die Vögel und ich unsere Wut den Feuerdrachen zeigen!«
Lauter Beifall stieg auf, er einte die Stimmen vieler Geschöpfe von Avalon. Trotz Basilgarrads ernsten Bedenken – die überwältigend vielen Gegner, mit denen sie es zu tun hatten, die Feuergefahr in diesem Reich und diese geheimnisvolle neue Waffe der Flamelons – war er ermutigt. Denn er wusste, dass die Eindringlinge zwar durch Gier und Hass motiviert waren, seine Streitkräfte aber von etwas viel Stärkerem angetrieben wurden: ihrer Liebe zu ihren Heimen und Familien – und zu Avalon.
»Schau!«, rief Tressimir.
Basilgarrad, der gerade die Flügel öffnen wollte, drehte sich um und sah den Elf auf die Karte deuten. Das Bild des verhexten Moors veränderte sich zu einer dunklen, schattigen Szene. In der Mitte stand ein abscheuliches Untier, es wand sich in einer Grube voller Leichen und zog Kraft aus dem Tod, der es umgab. Es war zwar größer geworden, doch es konnte keinen Zweifel geben: Das war dasselbe scheußliche Biest, das Basilgarrad zuvor in der magischenKugel gesehen hatte. Schwärzer als die Nacht, schien es kein Körper, sondern eine Leere zu sein. Kein Geschöpf, sondern ein Schatten.
Dunkler als dunkel.
»Das ist es«, grollte der Drache. »Das steckt hinter alldem.«
»Was ist es?« Tressimir verzog das Gesicht bei diesem Anblick.
»Ich weiß nicht. Aber ich werde …«
Der Drache unterbrach sich und betrachtete das Bild, wie es sich bewegte. Was war so vertraut an dieser Form? Das sich windende Biest schien sich umzudrehen, als wolle es direkt auf ihn glotzen. Plötzlich kam ein roter Blitz, er dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor er in einem wütenden blutroten Auge verschwand.
Ganz plötzlich traf die Wahrheit Basilgarrad wie ein Schlag. »Dieser Egel – das Werkzeug von Rhita Gawr! Natürlich, so ist es!«
Noch als die Erinnerung an seine Begegnungen mit dem Egel auf ihn einflutete, fing die Karte an zu zischen. Rauch stieg von dem Kompass auf und verteilte sich an die Ränder des Pergaments. Mit einem überraschten Schrei ließ Tressimir die Karte fallen – gerade bevor sie in Flammen aufging. Sekunden später war nichts von ihr übrig als verstreute Asche auf dem Boden.
Basilgarrad betrachtete finster die Asche – und das Bild des aufgeschwollenen, schattigen Egels in seinemKopf. »Ich finde dich«, grollte er. »Was auch geschieht, ich finde dich.«
Der Drache hob den Kopf und stieß ein mächtiges Gebrüll aus. Er sprang hoch und hob sich in die Luft, er tauchte ein in die Schlacht um Avalon.
35
Doomragas Triumph
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Bis es dann doch brennt.
T ief im Dunkel des verhexten Moors ließ Doomraga sein blutrotes Auge blitzen. Heller als je zuvor pulsierte dieses Signal durch die Luft von Avalon, über die fernsten Gebiete der Welt hinaus, selbst
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