Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
meinen Pflichten nachzukommen.“
„Warum reitet Ihr nicht nach Aachen? Eure Pflichten kann ohne Weiteres jemand anderes erfüllen.“
„So? Und wer? Ihr vielleicht? Oder Euer Sohn?“
„Warum nicht? Was Ihr könnt, das kann ein Mausbacher schon lange.“
„Beispielsweise einen daumenlosen Schweinehirten als Würgemörder entlarven, wie?“
Paulus war bleich geworden. Seine Stimme bebte vor Zorn. „Im Grunde seid Ihr ein Versager, Mathäus. Ein vorlauter Beamter, den man in ein Bauerndorf versetzt hat, weil er sonst zu nichts nütze ist.“
Konrad kicherte amüsiert, während Rikalt den Vertreter seines Vormundes mit stummem Entsetzen anstarrte.
„Ein Flegel, der Bauernmädchen den Kopf verdreht“, fuhr der Burgvogt fort. „Jungfrauen, die eigentlich dem Herrgott versprochen waren.“
Auch Mathäus war nun blass geworden. „Ihr redet Unsinn, Burgvogt“, sagte er heiser. „Und ich gebe Euch den guten Rat, Euch für Eure Worte bei mir zu entschuldigen.“
„So? Und wenn nicht? Wollt Ihr mich dann vielleicht zum Zweikampf herausfordern?“
„Das würde ich tun, wenn es mir mein Amt als Dorfherr nicht verbieten würde.“
„Hört, er kneift!“ Paulus lachte triumphierend. „Aber es ist wohl besser so, Mathäus. Ein Zweikampf wäre Eurer Gesundheit recht abträglich. Wie ich schon sagte, was Ihr könnt, das kann ein Mausbacher schon lange.“
„Dennoch fordere ich Euch heraus.“
Paulus hob verwundert eine Augenbraue. „Wie?“
„Der Wettbewerb beim Erntefest“, kam es zerknirscht zurück. „Beim Bogenschießen werde ich Euch besiegen.“ Mathäus hätte sich am liebsten sogleich selbst geohrfeigt für seine Worte. Doch sie waren ihm unwillkürlich entschlüpft. Der grenzenlose Zorn, der ihn erfüllte, hatte seinen Verstand einen unseligen Moment lang blockiert. Jeder Mensch unter Gottes weitem Himmel war gegen die Schießkünste des Burgvogtes chancenlos. Doch die Worte waren gesprochen und konnten nicht mehr zurückgenommen werden, ohne dass der Dorfherr sein Gesicht verlor.
Paulus deutete eine spöttische Verbeugung an. „Eure Herausforderung ist mir eine Ehre.“
„Das wird ein Spaß“, kicherte Konrad vor sich hin.
6. Kapitel
Der junge Mann trug einen leichten Waffenrock und führte sein Pferd am Zügel den Waldweg entlang. Wegen der tiefhängenden Äste war ihm das Reiten nur schwer möglich, doch der Mann legte keine sonderliche Eile an den Tag. Manchmal nahm er sich sogar die Zeit zu verharren und seinen Blick in die Umgebung schweifen zu lassen. Niemand folgte ihm. Er nahm es zufrieden zur Kenntnis.
Die Schatten des Waldes spendeten ihm angenehme Kühle. Sein Atem war ruhig und gleichmäßig, im Gegensatz zu dem seines Pferdes, das mitunter laut schnaubte. Mit seiner Hand übte er einen leichten Druck auf die Nüstern des Tieres aus, um es zu beruhigen.
Lichtes Gestrüpp zu seiner Linken offenbarte dem Mann einen Blick hangabwärts. Er hatte den Rand des Waldes erreicht. In der Ferne Menschen bei der Feldarbeit. Zeit der Ernte. Unter einer glühenden Sommersonne verrichteten die Bauern ihr schweißtreibendes Werk.
Der Mann band sein Pferd am Stamm einer Buche fest und näherte sich dem lichten Gestrüpp. Er hatte entschieden, den Menschen auf den Feldern eine Weile zuzusehen. Aus dem Verborgenen, denn sehen durfte ihn niemand.
Sie banden die Getreidegarben, luden sie auf hölzerne Karren. Der Mann verschränkte seine Arme und verspürte ein Gefühl der Genugtuung in sich aufkeimen. Auch seine Eltern waren Bauern gewesen, doch dieses mühselige Los war ihm selbst zum Glück erspart geblieben. Eines Tages war er von zu Hause geflohen, um dem trostlosen Bauernleben zu entgehen. Er hatte es geschafft. Der Herr, dem er diente, entlohnte ihn fürstlich für seine Dienste.
Das Kind weckte seine Aufmerksamkeit. Er musste seine Augen ein wenig bemühen, um im gleißenden Sonnenlicht erkennen zu können, dass es sich um ein Mädchen handelte, kaum älter als sieben oder acht Lenze. Abseits von den arbeitenden Erwachsenen hockte es im Schatten eines Karrens und spielte mit einem Gegenstand, den man aus der Ferne für eine Puppe halten konnte.
Der Atem des Mannes wurde nun unruhig, und sein Herz begann zu pochen. Er sah hinab zu seinen Händen, mit denen er dem Knaben das Leben genommen hatte. Sie zitterten.
„Was denn, bist du ein Weichling, Wolf?“, fluchte er leise. „Du hast nur ausgeführt, was zu geschehen hatte!“
Inzwischen war eine junge Frau neben das Kind getreten. Sie trug keine
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