Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
Haube, so wie die meisten anderen Bäuerinnen. Langes, schwarzes Haar fiel über ihre Schultern. Selbst von Weitem konnte er ihre Schönheit erahnen.
Jutta beugte sich zu ihrer kleinen Ziehtochter hinab. „Wie geht’s euch beiden?“
„Mir geht es gut“, erklärte Maria. Sie wiegte die Holzpuppe in ihren Armen. „Aber Hein ist wieder mal krank“, fügte sie ernst hinzu.
„Oh!“ Jutta nickte verständnisvoll. „Was hat der Ärmste denn?“
„Er war zu lange in der Sonne.“
„Verstehe. Und nun braucht er Schatten.“
Sie nickte.
Jutta versuchte vergeblich, weiterhin ernst dreinzuschauen. Herzhaft begann sie zu lachen.
„Was hast du, Mama?“
„Nichts, Liebes. Ich hoffe, du wirst deinen großen Freund in den nächsten Tagen wiedersehen.“
„Onkel Heinrich? Er kommt?“
„Er hat es Mathäus versprochen.“
Die Augen der Kleinen glitzerten. „Wird er mit mir spielen?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Bestimmt wird er das tun.“ Jutta küsste ihre Stirn. „Geh nicht weg von hier“, sagte sie mahnend, bevor sie sich wieder zu den Arbeitenden auf dem Feld gesellte.
„Aber es ist so langweilig“, erwiderte Maria leise. „Nicht wahr, Hein? Es ist doch so schrecklich langweilig hier.“
Die knopfrunden Augen der Holzpuppe starrten sie an.
„Ich weiß, wo es einen Fuchsbau gibt. Oben, im Wald. Hast du schon mal einen Fuchs gesehen?“
Ihre Händchen drehten den Kopf der Puppe hin und her.
„Nicht? Dann komm mit mir, Hein. Ich zeig dir welche.“
Friedrich, der Kastellan, hockte mit verschränkten Armen auf einem Schemel vor der Tür zur Wachstube und döste in der Sonne. In seinem Mundwinkel baumelte ein Grashalm, den er ab und zu mit schmatzenden Bewegungen seiner Kiefer von einer Seite zur anderen wandern ließ. Schnarchgeräusche, die aus dem Torhaus nebenan drangen, rissen den Kastellan aus seinen Tagträumen.
„He! Wer zum Teufel wagt es, am helllichten Tag ein Schläfchen abzuhalten?“, schrie er. Seine Stimme hallte über den Burghof, der wie ausgestorben in der gleißenden Mittagssonne lag.
Das Schnarchen verstummte. An einer Luke über dem Torbogen zeigte sich der zerzauste Schopf eines Knappen. „Verzeiht mir, Herr Kastellan, aber ...“
„Was aber? Auf deinen Posten, Dummkopf. Und sei froh, dass es nicht der Burgvogt war, der dich aus deinen Träumen holte. Sonst könntest du im Kerker weiterschlafen.“
Friedrich richtete seine Aufmerksamkeit auf das Portal des Westflügels, aus dem soeben der Dorfherr von Merode trat. Er erhob sich schwerfällig und ging auf Mathäus zu.
„Wie stehen die Zeichen, Herr Mathäus?“, fragte er mit gewohnter Neugier.
„Gewitterluft“, erwiderte Mathäus knapp.
„Was ist denn geschehen, um Himmels willen? Ihr seid so blass wie ein Gespenst.“
Der Dorfherr sah ihn offen an. „Wusstet Ihr eigentlich, dass der Schweinehirt Jakob keinen einzigen Daumen mehr besitzt?“
„Nee. Wusste ich nicht.“ Der Kastellan zuckte mit den Schultern. „Und?“
Mathäus antwortete nicht, sah ihn nur an. Friedrich begann es zu dämmern. Der Grashalm fiel ihm aus dem Mund. „Wie hat er dann den Jungen erwürgen können?“, stieß er aus.
„Euer Scharfsinn übersteigt den des Burgvogtes um ein Vielfaches“, sagte Mathäus, und es klang nicht einmal spöttisch. „Eine gute Frage: Wie hat der Schweinehirt den Jungen erwürgen können? Die Antwort: Er hat es nicht getan.“
„Beim Sack des Leibhaftigen! Kommt mit in die Wachstube. Darauf müssen wir einen Becher trinken.“ Er fasste den Dorfherrn an der Schulter und zog ihn mit sich. Mathäus ließ es geschehen.
Drinnen hieß der Kastellan den Dorfherrn Platz zu nehmen und zauberte einen Weinschlauch aus einer Truhe hervor.
„Friedrich, ich bitte Euch. Wollt Ihr mich bei dieser Hitze abfüllen? Gebt mir einen Becher Wasser.“
„Wasser? Wo’s die Enten drin treiben? Einen Becher Wein in Ehren kann Euch nach diesem Schreck niemand verwehren.“
„Eigentlich habt Ihr recht“, seufzte Mathäus. „Zumal sich noch weitere schreckliche Dinge ereignet haben.“ Er nippte an seinem Becher und befeuchtete seinen ausgetrockneten Mund. Dann setzte er abermals an und leerte den Becher in einem Zug. Sogleich füllte Friedrich ihn nach.
„Weitere schreckliche Dinge? Was genau?“ Auch Friedrich widmete sich nun seinem Wein.
„Ich habe Paulus herausgefordert. Das Bogenschießen!“
Friedrich prustete seinen Wein über den Tisch. „Ihr habt was ?“
„Ein Trottel bin ich, jawohl.“
„Mit Verlaub, welcher Teufel hat
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