Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
Stadt betrieben. Der Birgeler hatte die Verwandten der Ermordeten aufgesucht und befragt; neue Aufschlüsse aber hatte dies nicht ergeben. Offenbar gab es keinen gemeinsamen Nenner in den schauerlichen Mordfällen. Weder hatten die drei Opfer den unbändigen Hass eines ihrer Nächsten auf sich gezogen noch hatten sie gemeinsame Feinde gehabt. Niemand konnte sich erklären, warum gerade sie dem Schwert des Kapuzenmantel tragenden Löwenmörders – wie die Städter den Unbekannten inzwischen getauft hatten – zum Opfer gefallen waren.
„Wahrscheinlich“, vermutete Hartmann seufzend, „waren die drei einfach nur zur Unzeit am falschen Ort. Gemeinsamkeiten? Ich sehe keine. Wisst Ihr, was ich denke, Heinrich: Der Mörder ist ein Irrer. Ein gemeingefährlicher Verrückter, der sich nicht einmal die geringsten Gedanken darüber macht, wem er seine Taten in die Schuhe schieben könnte. Da er aber auf die glorreiche Idee gekommen ist, die Köpfe seiner Opfer vor das Portal des Domes zu legen, bleibt die Sache an uns haften.“
Heinrich stützte sein Kinn. Sein zaghaftes Nicken verschleierte keineswegs, dass er in Wirklichkeit etwas anderes glauben mochte. Nachdenklich starrte er auf das Holz des Tisches.
Der Wirt erschien und tischte auf. Sie hatten Wein und einen Gemüseeintopf mit Wurst und Weizenbrot bestellt. Schweigend langten sie zu.
Als sie ihr Mahl beendet hatten, schob Hartmann seine Schale mit einem befriedigten Grunzen von sich und wischte sich über den Mund. „Und jetzt, Heinrich, seid Ihr an der Reihe. Habt Ihr vielleicht mehr herausgefunden als ich? Heraus mit der Sprache. Euer Gesichtsausdruck sagt mehr als tausend Worte. Ihr könnt meinen Glauben nicht teilen, dass es sich bei dem Löwenmörder“, er betonte das Wort spöttisch, „um einen Geisteskranken handelt, nicht wahr?“
Heinrich erwiderte das Grinsen des anderen. „Um ehrlich zu sein, fällt es mir schwer, das zu glauben. Aber leider kann auch ich Euch im Augenblick keine bessere These präsentieren.“ Er nippte an seinem Becher. „Sicher, ich habe heute einiges in Erfahrung bringen können“, fuhr er dann fort. „Doch in der Sache hilft uns das vorläufig nicht weiter.“
„Erzählt es mir dennoch.“
„Nichts liegt mir ferner, als Euch auch nur die geringste Kleinigkeit zu verschweigen. Beginnen wir also mit Herrn Rudolf, dem ersten Opfer: Der Ratsherr hatte einen Liebhaber, mit dem er sich öfter im ‚Schwan‘ traf.“
„Sieh an. Wenn seine Frau davon Kenntnis hatte, dann hat sie es mir gut verheimlicht.“
„Unwahrscheinlich, dass sie es wusste. Seine Neigung ist ihr wohl verborgen geblieben.“
„Und was ist mit dem, äh, Liebhaber? Habt Ihr ihn ...?“
„Natürlich habe ich ihn aufgespürt. Sonst wäre ich ein miserabler Schnüffler. Doch bevor Ihr fragt: Als Täter kommt er kaum in Frage. Er ist so schmächtig, dass er schwerlich ein Schwert heben, geschweige denn einen Zweihänder schwingen könnte.“
„Was ist mit Gumpert, dem zweiten Opfer? Hatte der Schmied ebenfalls gleichgeschlechtliche Neigungen?“
„So wenig wie Ihr und ich. Gumpert soff sich nur allzu gerne den Hals voll. Und sein Weib hasste er wie die Blattern.“
„Was ich ihm nachfühlen kann. Eine Hexe, die nur Gift versprühen kann.“
„Gift versprühen, vielleicht. Aber auch die Hexe dürfte als mögliche Schwertmörderin nicht in Frage kommen.“
„Nun zu Bernhard, dem dritten Kopflosen. Was habt Ihr über ihn herausgefunden?“
„Der Ratsherr pflegte häufigen Umgang mit Huren.“
„Was Ihr nicht sagt. Sein Weib hielt ihn für den besten Gatten unter Gottes weitem Himmel. So liebend, so fürsorgend ...“
„Fürsorge erhielt vor allem Ottilia, seine Lieblingshure. Sie vertraute mir an, dass der Ratsherr das Hurenhaus in letzter Zeit nur noch in Begleitung eines Dieners aus seinem Gesinde betreten habe.“
„Ein Begleiter?“
„Bernhard fürchtete den Heimweg in dunkler Nacht – zu Recht, wie man weiß. Doch dem Diener sagten an jenem Abend die Freuden des Weines mehr zu als die des Liebesspiels. Als sein Herr nach Hause gehen wollte, war er so besoffen wie der selige Gumpert. Bernhard musste sich also allein auf den Weg machen.“
„Der sein letzter werden sollte. Gute Arbeit, die Ihr da geleistet habt, Heinrich.“
„Fruchtlose Neuigkeiten“, winkte der Gelobte ab. „Klüger sind wir nicht geworden.“
Der Wirt eilte herbei und schenkte Wein nach. Die beiden Männer versanken in ihren Gedanken. Das Lachen und Schwatzen der Zecher um sie
Weitere Kostenlose Bücher