Merode-Trilogie 3 - Löwentod: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
Alles war so wirr, so sinnlos. Wem konnte etwas am Tod eines einfachen Bauernjungen gelegen sein?
Mathäus schüttelte den Kopf und erhob sich. Ein wenig Abwechslung würde ihm vielleicht guttun. Aus einer Truhe holte er eine Statue hervor. Seit mehr als einem Jahr arbeitete er nun schon daran, und endlich näherte sich das Werk seiner Fertigstellung. Ja, der Lindenklotz nahm immer mehr Gestalt an. Zwar war das Gesicht der Gottesmutter ein wenig kantig geraten und ihre Nase eine Spur zu groß, doch mit dem Jesuskind auf ihrem Schoß war Mathäus recht zufrieden. Freilich, als Geschenk an einen Bischof hätte sich die Skulptur wohl kaum geeignet. Diese Herren ließen echte Künstler für sich arbeiten, die für ihre Aufträge fürstlich bezahlt wurden. Jutta aber würde sich gewiss von ganzem Herzen über sein Werk freuen. Und mehr hatte Mathäus auch nicht bezwecken wollen. Dass es begabtere Holzschnitzer als ihn selbst gab, hatte er inzwischen akzeptiert.
Mathäus’ Gesicht zeigte höchste Konzentration, seine Hand klammerte sich entschlossen um den Knauf des Schnitzmessers. Die voluminöse Nase der Maria ließ sich sicherlich noch korrigieren. Doch Vorsicht war angesagt: Wenn er zu viel daran herumwerkelte, bestand die Gefahr, dass die Gottesmutter am Ende nasenlos war. Kleine Späne wehten über den Tisch.
Nicht lange und es klopfte vernehmlich an seiner Tür, so wie immer, wenn er sich zur Muße zwang.
„Die Tür ist offen“, rief er mit gepresster Stimme.
Sein Unmut schlug in Freude um, als Jutta in die Stube trat. Noch immer ließ ihr Anblick sein Herz hüpfen – und wahrscheinlich würde das auf ewig so bleiben. Juttas Augen offenbarten Begeisterung.
„Ist sie fertig?“
„Ist was fertig?“
„Die Skulptur.“
„Tja ... eigentlich noch nicht ganz. Ich muss noch, äh, gewisse Korrekturen vornehmen. Der letzte Schliff, sozusagen ...“
Sie beugte sich zu dem Sitzenden herab und küsste ihn. „Sie ist wunderschön“, sagte sie.
„Na ja ... Eigentlich wollte ich sie dir erst zeigen, wenn sie fertig ist. Die Nase der Maria, äh ...“
„Die Nase der Gottesmutter ist recht anmutig.“
„Übertreib nicht. Viel zu groß geraten ist sie.“
„Wo steht geschrieben, dass die Nase der Gottesmutter zierlich war?“
Er schlang die Arme um ihre Hüften und presste seinen Kopf an ihren Bauch. „Ach Jutta ... was wäre meine Welt nur ohne dich. Dennoch solltest du momentan den Weg von Schlich nach Merode nicht mutterseelenallein zurücklegen. Sorgen machen muss ich mir schon genug.“
Sie massierte mit kreisenden Daumen seine Schläfen und setzte sich dann zu ihm. „Wenn du so redest, mein Herz, dann hat dich zweifellos die Schwermut gepackt.“
„Die Schwermut hat derzeit leichtes Spiel mit mir. Mord und Gewalt, Fragen und Rätsel – aber keine Antworten.“
„Der Herrgott wird dir helfen. Ich bete darum.“
„Ob der Herrgott auch gewillt ist, mich vor einer demütigenden Blamage zu bewahren?“
„Wovon sprichst du?“
Mathäus seufzte und erzählte ihr von jenem unseligen Augenblick, in dem er den Burgvogt herausgefordert hatte.
Jutta schmunzelte. „Du hast den besten Bogenschützen weit und breit zum Wettkampf herausgefordert?“
„Das ist nicht lustig. Er wird mich vor den Augen aller Bauern der ‚Herrschaft‘ demütigen.“
„Du wirst den Wettkampf verlieren, ohne Zweifel – na und?“
„Ich habe den Mund zu voll genommen. Das ist eine Frage der Ehre ...“
„Dummes Zeug“, fiel ihm Jutta unwirsch ins Wort.
„Mit Verlaub, Liebste: Von den Angelegenheiten der Männer verstehst du nichts.“
„Männer? Mir scheint es eher, als stritten sich zwei tumbe Knaben.“
„Sei nicht so streng mit mir, Ungnädige.“
Sie schauten sich lange in die Augen und begannen zu lachen. Einen Augenblick lang war Mathäus versucht, ihr vom Angebot des Markgrafen zu berichten, von Wilhelms Wunsch, dass er nach Nideggen zurückkehrte – mit Jutta an seiner Seite. Doch dann verbiss er sich die Worte, die ihm bereits auf der Zunge lagen. Er hatte Jutta nie bedrängt und würde es auch weiterhin nicht tun. Jutta musste ihre Entscheidung unbeeinflusst treffen, wann immer das auch sein mochte.
Ihre Lippen fanden sich zu einem nicht enden wollenden Kuss.
11. Kapitel
Sichtlich erschöpft betraten Heinrich und Hartmann am Abend die Wirtsstube ihres Gasthauses am Radermarkt und ließen sich an einem der wenigen freien Tische nieder. Den ganzen Tag über waren sie auf den Beinen gewesen, hatten Nachforschungen in der
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