Merry Christmas, Holly Wood
gehen wollte.
Warum nur hatte er sich danach so seltsam verhalten? War er wirklich schüchtern? War er sauer auf sie? Oder auf sich selbst, weil er diesen Kuss zugelassen hatte? Sie konnte es sich einfach nicht erklären.
„Wie kommt es, dass Logan keine Freundin hat?“, fragte sie Deb. Sie beschloss, dass sie, wenn sie schon direkt an der Quelle saß, es auch ausnutzen sollte.
Deb sah sie lange an und schien darüber zu grübeln, ob sie es ihr anvertrauen konnte. Doch dann öffnete sie ihre Lippen und es sprudelte aus ihr heraus: „Logan hat einmal sehr geliebt, es ist schon einige Jahre her. Er wurde damals sehr enttäuscht.“
„Oh. Das tut mir leid. Was ist denn passiert?“
„Sie ist fortgegangen, wie so viele fortgehen.“ Sie sah Holly vorwurfsvoll an. „Heute wissen die Menschen die heimatliche Idylle einfach nicht mehr zu schätzen. Alle wollen sie immer nur weg, am besten so weit wie möglich. Sie sind auf der Suche nach etwas Größerem, etwas Besserem, doch finden sie es auch dort nicht. Das Traurige ist, dass sie denken, sie müssten in der Ferne nach ihrem Glück suchen, anstatt gleich vor ihrer Tür. Holly, wahres Glück kann man nicht finden, indem man einmal um die ganze Welt reist, denn wahres Glück findet man nur in seinem Herzen.“
Deb hatte wohl recht. Genau so war es, man konnte noch so weit laufen und danach suchen, am Ende konnte man es nur in sich selbst finden. Nur war Holly das vor diesem Besuch in der Heimat überhaupt nicht klar gewesen. Das Problem war, dass sie nicht wusste, wonach sie überhaupt suchte. Ruhm hatte sie, und war doch nicht glücklich. Geld hatte sie auch, doch auch das war nicht alles, was zählte. War es die Liebe? Die Liebe aber konnte man überall auf der Welt finden, dazu musste man nicht in sich gehen.
„Aber wonach soll ich denn suchen?“, fragte Holly diese weise, gütige Frau ganz offen, auch wenn es ein wenig naiv und auch dumm klang.
Deb sah Holly mit einem Lächeln an, das sagte: Das weißt du nicht? Sie legte eine Hand auf ihre Schulter und antwortete herzlich: „Deine Bestimmung. Du musst nach deiner Bestimmung suchen.“
Das verstand Holly nicht. Was meinte Deb nur damit? Was war denn ihre Bestimmung? Sie wusste, dass jede weitere Frage nur lächerlich klingen würde, also nickte sie und sagte, dass sie jetzt nach oben gehen würde, um ihre Eltern anzurufen.
In ihrem Zimmer angekommen, setzte sie sich aufs Bett und weinte erst einmal. Warum, wusste sie eigentlich gar nicht. In ihr waren nur so viele aufgebauschte Gefühle, die einfach raus wollten: die Sache mit Logan, der wundervolle Kuss und die Kälte, die er ihr danach – wie davor – entgegengebracht hatte, ihre eigene plötzlich aufgetretene Unsicherheit, all die Fragen, die sich ihr plötzlich aufstellten, die Tatsache, wieder zu Hause zu sein und doch wieder nicht, der Wunsch, ihre Eltern zu sehen, aber auch die Angst davor. Es war alles etwas zu viel für ein Herz.
Sie nahm ihr Handy in die Hand, löste es vom Ladegerät und sah auf dem Display stehen: 35 Anrufe in Abwesenheit.
Sie suchte nach der Nummer ihrer Eltern, die unter „Home“ gespeichert war. Plötzlich ging ihr ein Licht auf. War das die Antwort auf alle Fragen?
Sie bezeichnete ihr Elternhaus noch immer als ihr „Zuhause“, und nicht etwa New York. Aber es war halt ihr Zuhause. Sie hatte auch jedem – ihren Freundinnen in New York, ihrer Chefin beim Modemagazin, Kendra, und ihrem Portier – erzählt, dass sie über Weihnachten „nach Hause“ fliegen würde. Doch hatte sie es da mit einem abfälligen Unterton gesagt. Warum genau, verstand sie jetzt gar nicht mehr.
Was war so schlimm daran, aus Fort Collins zu kommen? Diese Stadt, dieser Staat hatten sie geprägt, hier war sie aufgewachsen. Wer weiß, wer sie geworden wäre, hätte sie ihre Kindheit in der Großstadt verbracht, in Denver zum Beispiel, der Hauptstadt von Colorado. Sie wäre ein anderer Mensch. Sie hätte andere Werte. Eigentlich konnte sie sich doch nicht beklagen, nicht über ihre Kindheit, ihre Schulzeit, die Liebe, mit der ihre Eltern sie erzogen hatten. Sie hatte ein glückliches Leben gehabt, nur hatte sie es nicht gesehen.
Warum habe ich damals nur so dringend weg gewollt? , fragte sie sich jetzt. Und warum musste ich meine Eltern so enttäuschen?
Sie hörte ein Klingelzeichen. Ja! Sie hatte wieder Empfang! Es klingelte und klingelte, und dann war plötzlich ihre Mutter dran.
„Hallihallo, fröhliche
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