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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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wartete, ging Danno
in den Schatten auf der anderen Straßenseite vorüber. Sie
sah ihn und winkte, aber er bemerkte sie nicht. Er war ohne Uniform
und wirkte merkwürdig unbedeutend in seinem dezenten grauen Hemd
und dezenter Hose. Ein hübscher junger Mann. Er konnte ihr Baby
nicht gehaßt haben. Sie war überanstrengt gewesen.
    Er schritt rasch vorüber, hatte offenbar ein Ziel. Sie rief
ihn an, aber da näherte sich die Straßenbahn und
übertönte ihren Ruf. Und als sie vorbei war, war er um eine
Ecke verschwunden. Sie war froh, ihn gesehen zu haben. Es zeigte,
daß er ein Leben abseits jenes unheimlichen Appartements und
Captain Breitholmers hatte.
    Der Aufmacher der Nachrichten am folgenden Morgen zeigte Bilder
einer jungen Frau, die etwa einen Kilometer vom Stadtzentrum entfernt
in einer Seitenstraße ermordet worden war. Harriet war
verständlicherweise schockiert, sah jedoch keine
Zusammenhänge. Der jungen Frau, einer Klavierstimmerin, die
für eines der großen Geschäfte arbeitete, war der
Kehlkopf zerschmettert worden, woran sie gestorben war. Sie war nicht
vergewaltigt worden. Die Fernsehstation erinnerte ihre Zuschauer an
ein ähnliches Verbrechen vor zwei Jahren, das unaufgeklärt
geblieben war. Harriet sah noch immer keine Zusammenhänge. Dazu
hatte sie keinen Grund.
     
    Im Appartement in der Pike Street war Daniel zur Arbeit gegangen,
und Captain Breitholmer, der nichts davon hielt, etwas dem Zufall zu
überlassen, verbrannte gerade ein dezentes graues Hemd und eine
dezente Hose. Ein paar Tage später vermißte Daniel beides,
verlor darüber jedoch kein Wort.

 
Der Bevölkerungsrückgang
Jahr 40: Anfang November
9
     
    An jenem Dienstagmorgen war ich um acht Uhr am Hauptbahnhof und
hatte die obligatorische kleine Tasche für eine
Übernachtung dabei. Der von uns geplante Ablauf war ebenso alt
wie ein Spionagefilm aus dem letzten Jahrhundert – diese
spezielle Variante hatte Mark mit Hilfe von Yvettes Zugfahrplan
ausgetüftelt. Ausländische Studenten sind für Dinge
wie Zugfahrpläne nützlich, die kein Einheimischer je
besitzt.
    Am Fahrkartenschalter kaufte ich eine verbilligte
Tagesrückfahrkarte – laut, jedoch nicht demonstrativ laut
– zu einem Ort im Norden, wo es ein größeres
IVF-Versuchszentrum gab und somit einen Grund für meinen Besuch.
Der Zug stand rauchend und abfahrbereit am Bahnsteig. Ich bestieg
ihn, schloß mich in einer Toilette ein, nahm die beiden
Schutzschilde aus meiner Tasche und legte sie mir auf Hals und Hand.
Dann ging ich den Gang entlang, bis ich ein Abteil mit wenigen und
weiblichen Reisenden fand. Ich verzog das Gesicht, betrat das Abteil
hastig, brummelte etwas davon, daß ich vor einem Liebhaber auf
der Flucht war, und verließ es auf der anderen Seite. Die
Frauen mußten mir nicht unbedingt glauben, sie sollten nur
keinen Lärm schlagen. Sie taten es nicht. Es wäre auch
sinnlos gewesen.
    Das Besteigen des nächsten Zugs war schwieriger. Der
Türgriff befand sich außer Reichweite über mir, und
die Waggonseite war glatt, aber auf Bodenhöhe gab es außen
Stufen, und es gelang mir, mit einem Sprung und einiger Mühe
daraufzugelangen. Ich schloß die Tür gerade im Augenblick,
da der Zug, den ich verlassen hatte, abfuhr. Ich durchquerte den
zweiten Zug, fand den Nahverkehrszug, den ich benötigte, auf dem
nächsten Bahnsteig, blieb darin und kaufte eine Fahrkarte beim
Schaffner, als er vorbeikam. Nach drei Haltepunkten stieg ich aus,
wartete einige Minuten und bestieg daraufhin einen Zug in die
Richtung, in die ich wirklich wollte, nach South Foreland, wobei ich
erneut eine Fahrkarte beim Schaffner kaufte.
    Ich saß da und ließ die Welt an mir
vorüberziehen. Wenn alles nach Plan verlaufen war, war ich
verschwunden. Angenommen, man spürte mir nach, so hatte ich ihre
Spürgeräte abgeschüttelt. Ich hatte eine Zugfahrkarte
erstanden, einen Zug bestiegen und war verschwunden – ein
Effekt, den sie einer Interferenz zuschreiben konnten, dem
abschirmenden Metall des Wagens. Wenn sie mir vertrauten und jemanden
anriefen, der meine Wanze am anderen Ende des Wegs wieder
aufspüren sollte, so befänden sie sich in Schwierigkeiten,
und wenn sie mir nicht vertrauten und sogleich eine Suche in Gang
setzen, so befänden sie sich noch immer in Schwierigkeiten
– sie konnten im ganzen Land nach mir suchen und hatten keine
Wanze, der sie folgen konnten.
    Ich erzähle das deshalb so ausführlich, weil ich mich
ganz genau daran erinnere, welches Vergnügen es mir

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