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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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hierher, wo
sie diente und niemals enttäuscht wurde. Gott die Mutter und
Jesus hatten durch die weise Vermittlung der Äbtissin ihr wildes
Pochen am Tor geprüft, hatten Grenzen für sie gezogen, ihr
Selbstachtung verliehen. Sie zu besuchen war ein Vergnügen.
    Sie war ebenfalls ein wenig schwachsinnig. Kein
Alzheimer-Schwachsinn, mit achtundfünfzig, sondern ein
schwachsinniger Schwachsinn.
    Wir umarmten einander. »Harriet – ich habe dir soviel zu
erzählen. Und wie geht’s der kleinen Anna? Fängt bald
mit der Schule an, schätze ich. Meine Göttin, wie sie
wachsen!«
    Bei jedem Treffen brachte ich sie auf den neuesten Stand der
Dinge, aber sie glitt immer wieder zurück. Die Welt
draußen hatte an jenem Tag für sie angehalten, da sie
ihrer für Jesus und Gott die Mutter entsagt hatte.
Psycho-Engineering hätte das Problem vielleicht gelöst
– das war das Gebiet meines Nachbarn Peter Simpson –, aber
die Ärztin des Klosters sah wenig Vorteile darin, und ich
stimmte mit ihr überein. Mama brauchte die Loslösung. Da
sie so lange das Gefühl gehabt hatte, im Fahrersitz der Welt zu
sitzen, konnte sie vielleicht die Vorstellung nicht ertragen,
daß die Welt ohne sie weiterfuhr.
    »Und Mark – wie geht’s ihm? Hat er für euch
eine angemessene Wohnung finden können?«
    Bei ihrem letzten Besuch hatten wir im Appartement gewohnt. Sie
hielt es nie für ›angemessen‹, sie, die ihre Kinder im
eigenen Haus hatte großziehen können.
    »Mark geht’s gut, Mutter. Er schickt dir liebe
Grüße.« Wir ließen uns am Tisch nieder und
hielt darüber hinweg Händchen. »Wir haben jetzt ein
großes Haus, Mama, mit Garten und Garage. Und eine nette
französische Studentin, die uns bei der Hausarbeit
hilft.«
    Ich schindete um ihrer willen Eindruck, nicht wegen mir. Das tat
ich bei jedem Besuch, und sie war stets hocherfreut.
    »Ein Au-Pair-Mädchen, Harri? Bist du sicher, daß
das weise ist? Mark ist, wie ich weiß, nicht wie andere
Männer, aber er ist nur ein Mann.«
    Ich entgegnete, wie stets, daß ich Mark völlig
vertraute und daß er, falls er fremdgehen wollte, dazu nicht
Yvette benötigte – denn aufgrund von AIDS und des
Bevölkerungsrückgangs kam in der Stadt inzwischen auf
hundert Frauen ein Mann.
    »Hab ich’s nicht gewußt, Liebes. Heutzutage geht
es bei den Videos für die Bibliothek anscheinend nur noch um
Sex. Ich frage die Äbtissin, wenn ich irgendwelche Zweifel habe.
Sie ist eine vernünftige Frau.«
    Wie stets sagte ich ihr nicht, daß ich Mark einmal gewarnt
hatte. Ich hatte ihm gedroht, daß ich ihn wohl, als Geste der
weiblichen Solidarität, ausleihen müsse, wenn er seine
Pflicht bei den Spermenbanken nicht erfüllte. Natürlich tat
er es, so daß meine Solidarität niemals auf die Probe
gestellt wurde.
    »Anna ist jetzt schon eine Weile in der Schule, Mama. Sie ist
fünfzehn und so schön, daß du’s nicht glauben
würdest.«
    »Unsinn. Mütter halten ihre Töchter stets für
schön.« Sie blickte mich scharf an. »Das ist nicht
immer ein Rezept zum Glücklichsein, Harri.«
    Das war neu und erheiternd. Es deutete an, daß ich für
sie jetzt so weit im mittleren Alter stand, daß sie sich
vorstellen konnte, ich sei eifersüchtig auf meine schöne
Tochter. Ich ging rasch darüber hinweg.
    »Wegen Anna bin ich hergekommen, Mama. Ich möchte sie
eine Zeit lang hier im Kloster unterbringen. Gibt’s da
irgendwelche Haken? Bezahlung, zum Beispiel – akzeptiert die
Gemeinschaft Spenden, oder wäre die Äbtissin
brüskiert?«
    »Anna? Hier unten? Wann soll sie kommen?«
    Ich räusperte mich. »Morgen«, gab ich zu.
    »Mitten im Schuljahr?«
    »Wenn das für die Äbtissin in Ordnung
ist.«
    »Und für wie lange?«
    »Weiß ich nicht.«
    Ich hob entschuldigend die Schultern. Wenn ich es erklären
müßte, täte ich es, und zwar
wahrheitsgemäß, aber es wäre nicht einfach, und es
wäre für Mama nicht besser, wenn sie es
wüßte.
    Offensichtlich war Mama auf irgendeiner wichtigen Ebene nicht
schwachsinnig und verstand das, denn sie stellte keine Fragen.
    »Es kommt vor«, sagte sie. »Eltern, die
plötzlich ins Ausland müssen… Bei den schulischen
Dingen kenne ich mich nicht aus, aber die Gemeinschaft verweigert nie
eine Spende.« Sie lehnte sich zu mir herüber und senkte die
Stimme. »Sag ihr, daß Anna hier Zuflucht suchen muß.
Bei so etwas kann sie sich nie verweigern.«
    Sie lachte verlegen und blickte sich um, als ob sie das
Gesprächszimmer für verwanzt hielte. Ich bezweifelte das.
An

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