Messertänzerin
Maitanickte ihr vielsagend zu und wartete mit einem breiten Lächeln ab.
Divya war aber viel zu schockiert, um das Lächeln zu erwidern.
»Ihr wollt, dass ich wieder mit gefälschten Papieren lebe?«
»Nein, vielleicht mit gefärbten Haaren, aber mit echten Papieren! Das ist das Beste daran! Und du könntest tanzen, unterrichten und einen recht attraktiven Mann heiraten. Klingt das nicht reizvoll? Besonders für jemanden, der keine Zukunft mehr hat. Ich biete dir eine neue Identität.«
»Das ist also der Gefallen?«, fragte Divya verwirrt.
»Nein, das ist die Belohnung«, konterte Maita beleidigt. »Ich dachte, du würdest dich freuen, endlich eine angesehene Frau zu werden. Keine Tana, aber eine Frau mit vielen Freiheiten und einem interessanten Leben.«
»Eine verlockende Aussicht«, erklärte Divya, wie es von ihr erwartet wurde, obwohl es nicht ganz das war, was sie sich erhofft hatte.
Maita nickte und fuhr fort. »Nun zu dem Gefallen. Immerhin hat der noch wesentlich mehr mit Tanz zu tun. Wie gesagt, du sollst auf einem Fest auftreten.«
Divyas Mundwinkel zuckten nach oben. Das klang nicht nach einem Gefallen, sondern nach Spaß! Vielleicht gab es ja bei dieser Aufgabe auch eine Zukunft?
»Es ist ein sehr großes Fest, zu dem mehrere Gaukler eingeladen sind, sodass du nicht weiter auffallen wirst. Ein Freund, der das Fest organisiert, hat dich als Tänzerin namens Kella auf die Liste gesetzt, und du wirst auf die Bühne geholt, wenn du an der Reihe bist.«
Divya nickte. Das klang interessant.
»Und Ihr sagt, ich soll so tanzen wie letzte Nacht auf dem Dach? Ich würde ja lieber den Tanz der Gräser vorführen, das andere würde doch sicher Anstoß erregen …«
Maita zwinkerte ihr zu. »Natürlich wird das Anstoß erregen. Du wirst genau so tanzen wie letzte Nacht auf dem Dach. Alle werden dich anstarren, damit musst du rechnen, aber du trägst natürlich eine Maske und niemand kann dich später wiedererkennen. Wichtig ist aber der Abschluss. Du wirst über die Bühne wirbeln, bis niemand mehr wegsehen kann, und wenn du es gut machst, wird kein Mann es wagen, dir das Tanzen zu verbieten.« Sie zwinkerte wieder, diesmal anscheinend etwas nervös. »Und dann ziehst du das Messer wie letzte Nacht und schleuderst es durch die Luft. Aber diesmal wirst du treffen. Das Ziel ist der Gastgeber des Abends. Du kannst ihn nicht verfehlen.«
Divya war sicher, dass sie sich verhört hatte.
»Ich soll den Gastgeber treffen? Wie ist das gemeint?«
Maita lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und musterte ihr Gegenüber genau.
»So wie ich es sage. Ins Herz.«
Vor den hohen Fenstern voller Staub und Spinnweben, die im Kerzenschein weiß leuchteten, kam Maita Divya vor wie eine Fürstin der Dunkelheit aus den Märchen, die die Köchin so gern in kalten Winternächten am Kaminfeuer erzählte.
»Wie …« Sie musste ihre Lippen befeuchten, weil ihre Trockenheit sie am Sprechen hinderte. »Wie könnte ich einen Menschen töten?«
»Möglichst schnell«, erwiderte Maita, während sie sie ansah wie eine Katze eine Maus. »Danach wird dich jemandin Sicherheit bringen. Deine Flucht ist gut vorbereitet, keine Sorge.«
Divya rang um Worte. »Ich soll einen Menschen töten, um … ein achtbares Leben führen zu können? Und wenn ich das nicht will?«
Maita nickte langsam und betrachtete die Möbel, als würde sie einen inneren Kampf austragen, ob sie dem Mädchen alles erklären musste oder ob das nicht zu viel von ihr verlangt war.
»Was du willst , kann dieser Welt völlig egal sein«, erwiderte Maita hart. »Du bist nicht mehr zwölf Jahre alt. Weißt du, was einem Mädchen passiert, das kein Zuhause hat, keine Arbeit und keinen Mann?« Sie beugte sich vor. »In dieser Stadt gibt es keinen Platz für Bettler. Warkan lässt sie ins Gefängnis werfen. Wenn du überleben willst … dann kannst du das nur als Frau jenes Lehrers, und ich finde, das ist ein sehr großzügiges Angebot!«
Divya schluckte alle weiteren Worte hinunter. Maita hatte recht. Wenn sie sie fallen ließ, konnte nichts mehr sie retten.
»Und wer ist … dieser Gastgeber?«
Maita zog erfreut die Augenbrauen hoch und schien das als Zustimmung Divyas zu werten. »Über diesen Mann musst du dir nicht viele Gedanken machen, das ist er nicht wert. Aber eines kann ich dir verraten: Er ist Selurias Mörder. Denke morgen Abend daran, wenn du das Messer in deiner Hand spürst.«
Divya versuchte gleichmäßig zu atmen. War das ein böser Traum?
»Aber
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