Messertänzerin
dass ich eine gute Fälscherin bin?«, ergänzte Maita mit hochgezogenen Augenbrauen. »Solange das Papier in meiner Schublade liegt, ist die Gefahr gering. Wenn ich es mit dir an jemanden verkaufe, liefere ich meinen Hals an den Galgen.«
Divya schluckte. »Warum habt Ihr das dann überhaupt für mich getan? Ihr hättet damals sicher eine bessere Dienerin bekommen können als ein kleines Kind ohne eigene Kaste.«
Die Schulleiterin seufzte. »Nicht für den Preis. Außerdem hat mir deine Mutter damals sehr imponiert. Sehr hübsch, sehr wortreich und verfolgt von einem Mann, dersie töten wollte, stand sie vor meiner Tür. Hätte ich sie und das Kind wegschicken sollen?«
»Verfolgt von wem?«, hakte Divya nach, unbewusst hatte sie sich nach vorn gebeugt und die Hände auf Maitas Tisch gelegt.
»Sie hat mir einiges erzählt. Und du willst nun von mir wissen, wer dein Vater war«, sagte sie nachdenklich. »Aber das kann ich dir auch nicht sagen, und so viele Jahre später wird das sicher schwer herauszufinden sein. So wie es aussah, handelte es sich um einen sehr temperamentvollen Mann, der glaubte, dass die Frau ihn betrog. Ein eifersüchtiger Tassari ist sicher eine tödliche Bedrohung. Jedenfalls hat deine Mutter das einzig Vernünftige getan – und ich das einzig Unvernünftige. Mit der Fälschung habe ich mich nie wohlgefühlt. Eine Lüge, die man ein Leben lang erzählt, wird irgendwann dünn wie Papier. Nun ist es wohl so weit. Wir müssen einen neuen Weg für dich finden.«
Neuer Weg – das klang ja ganz nach der Prophezeiung! Sollte tatsächlich das Licht vor vier Jahren recht gehabt haben? Gab es einen Weg für sie?
»Und welchen?«, fragte Divya verunsichert.
Maita legte eine Hand auf die Divyas, die erste Berührung zwischen ihnen beiden, wenn man von den vielen Ohrfeigen einmal absah. »Du wirst diesmal eine Aufgabe bekommen, die deinen Talenten entspricht. Und dem Wächter werde ich erzählen, dass ich dich heute Nacht zum zweiten Mal auf der Agida erwischt und dich deshalb spontan verkauft habe. Zum Glück steht es ihm nicht zu, zu fragen, an wen.«
Maita hob die Hand, als Divya den Mund öffnete.
»Ich verstecke dich in einem Haus ganz in der Nähe. Dusollst für mich zu einem großen Fest gehen.« Sie zwinkerte. »Und du wirst tanzen. Nicht wie eine Tana, sondern so, wie du es heute Nacht getan hast. Du wirst die Sensation des Abends sein – das kannst du mir glauben.«
Divya stutzte. Tanzen? Das war ihr Weg hier hinaus? Plötzlich schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. So viele schreckliche Nachrichten heute Nacht und nun das! Das Tanzen! Konnte das wahr sein? Die Prophezeiung! Natürlich, das Licht hatte recht gehabt, dafür musste sie lernen! Und der Kampf hatte sie Körperbeherrschung gelehrt. Eben noch hatte sie geglaubt, dass alle Wege ihr verschlossen waren, die sie sich je erträumt hatte. Dass sie ihre besten Freunde verloren hatte. Der Gedanke an Tajan war noch immer ein Stachel in ihrem Herzen, und es machte sie traurig, dass sie nicht an Jolissas Seite durch die Stadt wandern konnte. Aber vielleicht würden sie das ja dennoch, eines Tages. Wichtig war nur, dass sie nicht den Rest ihres Lebens auf der Flucht verbringen würde. Oder mit dem Scheuern von Böden. Nein, sie würde tanzen!
Maita stand auf und reichte Divya die Hand wie zu einem Pakt. So nah hatte sie sich der Schulleiterin noch nie gefühlt. Sie mochte vielleicht hart und herrschsüchtig sein, aber ihre Strafen und Entscheidungen waren immer von einer gewissen – sehr eigenen – Gerechtigkeit geprägt gewesen.
Als Maita die Tür öffnete, flutete helles Tageslicht herein. War es wirklich schon Morgen? Ihr letzter Morgen an dieser Schule? Ihr Mut und ihre freudige Erwartung des Neuen gerieten ins Stolpern.
»Kann ich mich denn wenigstens noch von Jolissa verabschieden?«, fragte sie mit flehendem Blick.
Maita nickte zögernd.
»Wenn du sicher bist, dass sie schweigen kann. Aber beeil dich. Der Unterricht beginnt pünktlich in einer Stunde.« Leise setzte sie hinzu: »Und lass dich von niemandem sehen. Ich weiß, dass du schleichen kannst wie eine Katze.«
Jolissa hatte beide Hände in den Haaren und stand vor dem Spiegel. Als Divya hereinkam, ließ sie die Nadeln, die sie wohl gerade befestigen wollte, einfach zu Boden fallen und lief auf ihre Freundin zu, um sie fest zu umarmen.
»Du kommst genau richtig«, freute sie sich.
Divya betrachtete ihr Haar und nickte. »Das sehe ich.«
Jolissa grinste
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