Messewalzer
bringen, ob Kroll unter der Trennung litt. Das würde bedeuten, dass sie in Erfahrung bringen wollte, wer die Beziehung beendet hatte. Er sah jedoch keinen Grund, sein Privatleben vor ihr auszubreiten. Außerdem war er durch ihr Interesse an seinem Beziehungsleben ein wenig irritiert, weil Liane Mühlenberg schließlich vor wenigen Tagen auf tragische Weise ihren Partner verloren hatte. Er versuchte daher, von sich abzulenken. »Kein Problem.« Er sah sie mitfühlend an. »Da hast du in letzter Zeit Schlimmeres durchgemacht.«
Liane stellte das Weinglas auf den Tisch und zog damit unförmige Kreise. »Das kann mal wohl sagen! Aber was bringt es, daheimzusitzen und das Kissen vollzuheulen? Ich muss mich ablenken, rausgehen, arbeiten und dann geht es irgendwie.« Sie suchte Blickkontakt zu Kroll. »Weißt du, Kroll, Willi und ich hatten immer eine Menge Spaß. Er würde nicht wollen, dass ich mich jetzt fertigmache!«
»Das bringt sowieso nichts«, stimmte der Hauptkommissar ihr zu. »Trinkst du noch einen Wein? Mein Bier ist auch gerade alle.«
»Klar.«
Weil das Thema schon auf Willi Lachmann gekommen war, nutzte er die Gunst der Stunde, seinem Ermittlungsdrang nachzugeben, obwohl er wusste, dass es nicht passend war. »Darf ich dir ein paar dienstliche Fragen stellen? Ich verspreche hoch und heilig, es kurz zu machen.«
Liane Mühlenberg war anzusehen, dass sie nicht begeistert war. »O.K., Kroll. Du hast genau drei Fragen und dann genießen wir den Abend, einverstanden?«
»Einverstanden! Also, Frage Nummer eins: Kommt dir der Name Amelie Rosenthal bekannt vor oder hat Willi ihn einmal erwähnt? Sie hat einen Leberfleck unter dem rechten Auge, vielleicht ist dir schon mal so jemand begegnet?«
Liane zählte in aller Ruhe mit ihren Fingern. »Das waren drei Fragen. Die Antwort ist nein.«
Kroll gab nicht auf. »Zweite Frage. Hast du mal was von dem Fußballer Lars Ehrentraut gehört?«
»Die Antwort ist erneut nein. Darf ich nun um die letzte Frage bitten?«
Kroll überlegte einen Moment. »Also gut. Hat sich Willi in letzter Zeit mit Leuten getroffen, die dir irgendwie verdächtig vorkamen? Vielleicht war jemand aus dem ehemaligen Jugoslawien darunter.«
»Letzte Antwort: Nicht, dass ich wüsste.«
Kroll hob zum Zeichen der Aufgabe die Hände. »Die Fragen hätte ich mir sparen können. Also gut. Der dienstliche Teil wäre hiermit offiziell beendet. Jetzt genießen wir den Abend. Und worüber reden wir nun?«
Liane streifte sich die Haare aus dem Gesicht. »Mich würde zum Beispiel interessieren, was du so machst, wenn du nicht Verbrecher jagst. Oder hast du nie Freizeit?«
»Ab und zu schon. Ich interessiere mich für Sport. Hauptsächlich Kampfsport und Fußball.«
Fußball schien Lianes Geschmack überhaupt nicht zu treffen. Das hatte Kroll auch nicht erwartet. Aber der Kampfsport weckte ihre Aufmerksamkeit.
Ihre Blicke glitten über Krolls Körper. »Also Kampfsport! Nur theoretisch, oder auch …?«
»Ich war früher mal ganz gut. Heute versuch ich, noch so einigermaßen fit zu bleiben.« Er lächelte Liane an. »Noch geht es ganz gut. Aber ich werde auch nicht jünger!«
»Ach du Armer«, seufzte Liane übertrieben. »Wenn du einen Platz im Seniorenheim brauchst, ich habe da gute Beziehungen!« Sie beugte sich vor und streichelte Krolls Oberarm. »Ich könnte dir bestimmt ein Doppelzimmer mit deinem alten Kollegen besorgen. Dann könnt ihr zusammen Bingo spielen.«
Kroll setzte das Bierglas ab. »Welcher alte Kollege?«
Liane Mühlenberg war immer noch gut gelaunt. »Na, in der Herbstvilla. Da hat doch Willi in letzter Zeit ziemlich oft diesen alten Polizisten besucht … wie heißt der gleich? Irgendwas mit Vogel …«
Kroll half ihr mit einer deutlichen Stimme auf die Sprünge. »Bernd Vogelsang!«
Behutsam stellte Liane ihr Weinglas auf dem Tisch ab. »Ja, genau. Aber keine Sorge. Das war doch nur ein Spaß! Der sitzt schon im Rollstuhl.« Sie beugte sich wieder vor. »Da bist du doch noch ein bisschen beweglicher.«
»Komisch, das hat der uns gar nicht erzählt«, murmelte Kroll in Gedanken.
FÜNF
Am nächsten Morgen war Wiggins als Erster im Büro. Wie üblich schaltete er zuerst die Kaffeemaschine an und setzte sich danach an seinen Schreibtisch, um zu sehen, was die Beamten vom Verwaltungsdienst darauf deponiert hatten. Üblicherweise lagen dort Berichte, dienstliche Stellungnahmen, Auszüge aus der Presseschau und Ähnliches. Heute fiel sein Blick sofort auf den weißen,
Weitere Kostenlose Bücher