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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stammkötter
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drückte fester auf die Stellen in der Nähe der Wunde, der Fremde reagierte nicht, ließ sich nicht mal zu einem Zucken hinreißen. »Das Bein ist auf jeden Fall angebrochen. Ganz durch ist es aber nicht. Was mir Sorgen macht, ist diese extreme Schwellung hier. Ich gehe davon aus, dass der Knochen in diesem Bereich abgesplittert ist; es sollte eine genauere Untersuchung durchgeführt werden. Dazu müssten Sie aber in ein Krankenhaus.«
    »Auf keine Fall!«, war der knappe Kommentar.
    »Ich verfüge hier in der Praxis nur über ein normales Röntgengerät. Das reicht aber nicht aus, um die Absplitterungen am Knochen …«
    »Versorgen Sie Wunde«, unterbrach ihn der Fremde.
    Dr. Dankner schüttelte den Kopf. »Ich könnte Ihnen die Wunde verbinden und versuchen, das Bein mit elastischen Bandagen zu stabilisieren. Das wäre aber alles andere als eine fachgerechte Behandlung.«
    »Machen Sie schon!«, forderte ihn Goran auf.
    Der Arzt ging zum Medikamentenschrank und holte Salbe, Verbandsmaterial und die elastischen Binden heraus. »Brauchen Sie etwas gegen die Schmerzen?«, fragte er, während er im Schrank kramte.
    »Nein«, war die deutliche Antwort.
    Nachdem das Bein versorgt war, gab der Arzt Goran die angebrochene Tube mit der Salbe. »Sie müssen die Wunde mindestens zwei Mal täglich dick mit dieser Salbe einreiben. Also alles abwickeln und neu einreiben, Mullbinde drüber und dann die Bandagen. Halten Sie das Bein ruhig und möglichst hoch. Und nochmals: Es wäre am sinnvollsten, Sie gehen in ein Krankenhaus zu einer genaueren Untersuchung. Am besten in die Uniklinik, Liebigstraße.«
    Goran stand auf und belastete sein Bein vorsichtig. Auf die Krücke gestützt, humpelte er hinaus. Als er am Empfang vorbeikam, legte er ein paar Geldscheine auf den Tresen. Er verließ die Praxis, die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Dr. Dankner alarmierte die Polizei.

SIEBEN
    Den ersten Termin des Tages hatten Kroll und Wiggins bei Staatsanwalt Reis zur Lagebesprechung.»Die Tochter von Annemarie Rosenthal?« schrie Reis. »Das ist doch völlig unmöglich. Wie besoffen war diese Liane eigentlich? Was hat die euch noch alles erzählt?«
    »Wir waren alle ziemlich besoffen«, bestätigte Wiggins. »Aber warum sollte Liane das erfinden? Davon hat sie doch nichts.«
    Staatsanwalt Reis und die Polizisten waren seit vielen Jahren ein Team. Ihre Zusammenarbeit war geprägt von bedingungslosem Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung. Jeder wusste, dass er sich auf den anderen verlassen konnte. An dem Staatsanwalt schätzten Kroll und Wiggins ganz besonders, dass er sich immer schützend vor seine Mitarbeiter stellte, was bei Krolls Ermittlungsmethoden, die manchmal recht unkonventionell ausfielen, durchaus erforderlich war. Deshalb brauchten sie im persönlichen Gespräch auch nicht auf irgendwelche Etikette Rücksicht zu nehmen und konnten ungezwungen alles ansprechen.
    Der Staatsanwalt sah Kroll an. »Kann es sein, dass die dich beeindrucken wollte? Hatte die noch was vor, du weißt schon, was ich meine.«
    Kroll hob die Hände. »An dem Abend bestimmt nicht. Da war mit mir mit Sicherheit nichts mehr los!«
    »Sei nicht so bescheiden, Kroll«, frotzelte Wiggins. »Die hatte dich auf dem Kieker.«
    Reis hakte nach. »Also, Kroll, was ist?«
    Kroll stand auf und setzte sich auf die Fensterbank. »Wir hatten seit Längerem den Verdacht, dass Liane die Tochter von Annemarie Rosenthal ist, die damals auf dem Rücksitz saß.« Er zeigte mit dem Finger auf sein Auge. »Denkt doch nur mal an die Lasernarbe hier. Warum wurde sie entführt? Dafür kann es doch nur eine Erklärung geben!« Er sah Wiggins und den Staatsanwalt abwechselnd an. Die warteten auf weitere Erklärungen.
    »Wir hatten mal einen interessanten Fall, als ich noch im Betrugsdezernat war. Picasso hat nach dem zweiten Weltkrieg Stiere gemalt. Ganz einfache Zeichnungen. Kohlestift auf Papier. Und dann war da ein pfiffiger Kunststudent aus Leipzig, der ist einfach in ein Antiquariat marschiert …« Kroll ging zum Bücherregal des Staatsanwaltes und nahm sich wahllos ein Fachbuch heraus, schlug es auf und sah den Staatsanwalt an. »Sehen Sie, die erste Seite ist immer ganz weiß.«
    Der Staatsanwalt begriff, worauf Kroll hinauswollte. Er duzte die Polizisten, obwohl die beim Sie geblieben waren. Das hatte sich im Laufe der Zeit so eingeschliffen. »Ich kann mir denken, was du meinst. Der Student hatte sich also ein Buch aus dem Jahre 1945 besorgt und einen Stier im

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