Messewalzer
einen Schritt auf Kroll zugehen, bremste jedoch ab, weil er das Bein nicht belasten konnte. »Keine Tricks! Du Betrüger: Ich unbewaffnet!«
»Fahr zur Hölle!«, fluchte Kroll.
»Wir uns wieder sehen, Polizist!«
»Darauf kannst du dich verlassen!«, versprach Kroll.
Goran humpelte in Richtung Ausgang. Kroll rannte zu dem Tisch mit dem Werkzeug, holte die Kneifzange und knipste die Kabelbinder an Lianes Händen auf. Die massierte sich die schmerzenden Gelenke.
Kroll half ihr, aufzustehen. »Du bist in Sicherheit. Ich bring dich nach Hause.«
»Wo ist er?«, stotterte sie ängstlich.
»Den fangen wir schon wieder ein. Es ist wichtig, dass wir erst mal hier wegkommen.«
Liane stützte sich ab, indem sie beide Arme um Krolls Hals schlang. Sie sah sich im Raum um. »Ich glaube, meine Tasche hat der dort hinten irgendwo in die Ecke geschmissen. Da ist mein Handy drin.«
Kroll half Liane Mühlenbach, sich auf ein Fass zu setzen und ging in die Ecke, die sie ihm gezeigt hatte. Er fand die Tasche sofort, kramte das Telefon heraus und informierte die Kollegen. Gleichzeitig veranlasste er, dass Goran zur Fahndung ausgeschrieben wurde.
Dann nahm er neben Liane Platz.
»Deine Hände bluten ja.«
Kroll betrachtete seine Handflächen. Das alte Hanfseil war widerspenstig und rau gewesen. Etliche Hanffasern hatten sich ins Fleisch gebohrt. »Alles halb so schlimm. Da muss ich nur ein kleines Pflaster draufmachen.«
Liane blickte ihm in die Augen. »Ich wäre erstickt, wenn du nicht gekommen wärest. Meine Nase war schon ganz zugeschwollen. An die letzte Zeit kann ich mich gar nicht mehr erinnern, ich meine, bis du mir dieses Klebeband abgemacht hast.
Kroll nickte. »Was ist los, Liane? Was wollte dieser Kerl von dir?«
»Später, Kroll, bitte! Ich muss erst einen Moment zu mir kommen, mich erst ein bisschen sammeln. Ich erkläre dir alles morgen … zumindest das, was ich erklären kann. Aber versprich dir nicht zu viel. Ich bin jetzt einfach nur fertig.«
Aus der Ferne hörten sie ein Martinshorn. Die Kollegen würden bald eintreffen.
Die weißen Verbände an Krolls Händen mit den freien Fingern sahen aus wie Radfahrer-Handschuhe. Beim Biertrinken waren sie aber nicht hinderlich. Die Kellnerin im McCormacks brachte Wiggins und ihm das zweite große Bier. Wiggins trank Guinness und Kroll Kilkenny. Sie prosteten sich zu.
»Wo warst du eigentlich heute Nachmittag, als ich den amtierenden Weltmeister im Cage Fight ausgeknockt habe?«
Wiggins war für einen Moment abwesend. Krolls Frage führte ihm anschaulich ihre Arbeit draußen auf der Straße vor Augen und er musste daran denken, dass genau diese Erlebnisse für ihn bald Geschichte sein könnten.
»Hallo, bist du schon müde?«, hakte Kroll nach.
Wiggins schüttelte den Kopf. »Keine Sorge! Ich fahr noch nicht nach Hause. Ein paar rote Ale halte ich noch durch.« Er schlürfte die Schaumkrone ab und nahm einen großen Schluck. »Ich hab ’ne Menge formellen Kram erledigt: in unserem Fall, aber auch in eigener Sache. Du weißt doch, wie das manchmal ist in unserem Laden.« Er lächelte. »Hätte ich gewusst, dass du heute eine Freefighteinlage zum Besten gibst, wäre ich natürlich gekommen, hätte mich in die erste Reihe gesetzt und zehn Euro auf dich gewettet.«
»… und wahrscheinlich 50 Euro auf den andern«, scherzte Kroll. Er zündete sich eine Zigarette an und ließ den Rauch genüsslich durch die Nase entweichen. Kroll rauchte nur selten, tagsüber nie, aber beim Bier kam ihm regelmäßig das Verlangen nach einer Zigarette. »Das hätte heute auch anders ausgehen können. Hätte der mich in dem Regal zuerst gesehen, könntest du mich jetzt nur noch anhand eines Zettels am Fuß identifizieren.«
Wiggins stützte seinen Kopf mit der Handfläche. »Es ist manchmal so verdammt knapp, Kroll. Überleg doch mal, wie oft wir schon in Gefahr waren. Wenn es einmal schiefgegangen ist, fragst du dich, ob es das alles wert war.«
Kroll drückte die Zigarette aus. »Das gehört zu unserem Job wie der Fisch ins Wasser. Aber vielleicht macht das unseren Beruf ja gerade so einzigartig. Ist doch immer noch besser, als hinterm Schreibtisch die Sessel vollzufurzen.«
Wiggins überlegte, ob Kroll wirklich recht hatte. War es nicht vielleicht doch besser, ein sorgenfreies Leben im Büro zu führen, als auf dem Südfriedhof zu liegen? Er wechselte das Thema. »Ich frage mich nur, warum die Fahndung diesen Goran noch nicht entdeckt hat. Der braucht doch ärztliche
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