Messi
Madrid um das nackte Überleben geht – die letzte Chance, im Rennen um den Titel zu bleiben. Die meisten Prognosen sind sich darin einig, dass das Spiel von den favorisierten Blau-Roten kontrolliert werden wird, die in einer gewagten 3-4-3-Formation über den Platz verteilt sind, so dass Madrid weniger stark gedeckt sein wird als sonst. Nur wenige wagen eine Wette, agieren Capellos Leute gegen den ewigen Rivalen doch gerne auf ihre ganz eigene Weise. Und entgegen aller Vorhersagen führen sie auch schon nach fünf Minuten. Der blonde Guti passt auf den linken Flügel zu Gonzalo Higuaín. Der junge Argentinier spielt einen scheinbar harmlosen Ball, den Lilian Thuram jedoch in einen tödlichen Pass umwandelt, der wiederum mit unglaublicher Genauigkeit auf Ruud van Nistelrooys Fuß landet. Der Niederländer zieht noch vor der Strafraumgrenze ab. Die kläglichen Versuche von Puyol und Valdés, sich in die Flugbahn zu werfen, haben keinen Erfolg. Der Ball ist im Netz – 1:0. Nun ist Rijkaard derjenige, der nervös wird. Doch nach nur fünf Minuten ist Leo Messi am Zug. Xavi schickt ihn steil, und er hat nur noch Torhüter Iker Casillas zwischen sich und dem Gehäuse. Die Weißen sind wie gelähmt. Ausgleich.
Auf beiden Seiten haben die Abwehrspieler keinen guten Tag erwischt. Zu den nervösesten in der Mannschaft Barcelonas gehört Oleguer, der in der 45. Minute schließlich nach einem Foul an Fernando Gago mit Gelb-Rot vom Platz fliegt. Die vorangegangene Gelbe Karte hat er sich bereits in der zwölften Minute eingehandelt, als er Guti im Strafraum festhielt – Strafstoß und Verwarnung. Van Nistelrooy gibt sich keine Blöße und verwandelt zur 2:1-Führung. Fabio Capello traut seinen Augen kaum. Sein Präsident hat ihm deutlich gemacht, ja nicht mit einer Niederlage nach Hause zu kommen. Die Führung lässt ihn nun wieder freier atmen.
Allerdings nicht lange. Erneut erweist sich Leo Messi als Albtraum, als er einen Abpraller von Casillas vor die Füße bekommt. Ein schwieriger Ball, aber dennoch trifft er. Von der Unterkante der Latte springt das Leder ins Tor. Die eigentliche Auszeichnung für das Tor aber gebührt Ronaldinho, der endlich aus seinem Schlummer erwacht ist. Er tut das, was er am besten kann, tanzt zwei oder drei Gegner aus, spielt einen Doppelpass mit Eto’o und schießt den Ball in Richtung Casillas. Dieser bekommt zwar noch die Hand an die Kugel, ist dann aber machtlos gegen Messis geistesgegenwärtigen Abstauber. Vier Tore in 27 Minuten sind genau die Art von Spektakel, die die spanischen Zuschauer so lieben. Nachdem sie von ihrer Angst befreit sind, scheinen die Männer von Barça wieder die Oberhand zu gewinnen.
Die Verteidigung der Weißen wankt, doch dann gibt es den Platzverweis für Oleguer, und Barça muss die zweite Halbzeit mit nur zehn Mann bestreiten. Rijkaard nimmt Eto’o aus dem Spiel und schickt [den brasilianischen Linksverteidiger] Sylvinho aufs Feld. Die Blau-Roten kontrollieren zwar weiterhin den Ball, doch die Weißen bleiben gefährlich. Der Vorteil hängt am seidenen Faden. Da führt Guti einen Freistoß aus: Sergio Ramos und Puyol steigen hoch und gehen zum Ball. Der Verteidiger der Weißen bekommt das Leder gegen den Nacken, von wo aus es unter die Querlatte und von dort in die Maschen fliegt. Der Sieg? Nein, denn da kommt Messi zur Rettung Barças und hält ihnen Madrid vom Leib. Und Capello hat sein altes Problem wieder.
Luca Caioli, Corriere della Sera , 11. März 2007
Ach ja, Capello … vielleicht hatte er vergessen, zu was Messi in der Lage ist. Und doch war es Capello selbst gewesen, der am 24. August 2005 im Finale des Joan-Gamper-Turniers nach jenem Mann fragte, den er als Teufel beschrieb und der die Verteidigung von Juventus fast wahnsinnig machte, indem er drei Gelbe Karten provozierte, ein Tor vorbereitete und über 90 Minuten Gefahr versprühte. Am Ende fuhr Juventus zwar dank sechs Treffern im Elfmeterschießen mit dem Pokal im Gepäck nach Hause, doch war Leo zum Spieler des Spiels gewählt worden und die wahre Überraschung der Begegnung gewesen. Fabio Capello hatte das Talent des Youngsters sofort erkannt und mit Frank Rijkaard noch gescherzt: „Tja … wenn Ihr nicht genug Platz in Eurer Startformation für ihn habt, dann überlasst ihn doch mir. Wir nehmen ihn gerne unter Vertrag.“
Vielleicht hatte Fabio Capello an jenem Abend des 10. März 2007 gedacht, dass alles gut enden würde, genau wie am 22. Oktober 2006 im Bernabéu. Die Weißen
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