Messi
28. Minute, Mitte der ersten Halbzeit.
Keine Frage, das dürfte das Tor der Saison sein …
Einfach unglaublich. Die ganze Welt hat ein Lächeln auf den Lippen und doch keine Ahnung, was sie von dieser Demonstration von Ballführung, Schnelligkeit, technischem Können, Trickserei und Abschluss halten soll. Das war einfach nur beeindruckend …
Ich will keine Vergleiche ziehen, aber das erinnert mich an Diego Armando Maradonas Tor gegen England bei der WM 1986. Es sind zwei unterschiedliche Tore. Es sind zwei unterschiedliche Spieler. Ich will damit nicht sagen, dass Messi Maradona ist, aber es erinnert mich an dieses Tor.“
So weit der Fernsehkommentar des Spiels zwischen dem FC Barcelona und dem FC Getafe am 18. April 2007 auf Digital +. Und hier nun die Stimme von Víctor Hugo Morales von Radio Argentina vom 22. Juni 1986 beim Spiel zwischen Argentinien und England im Aztekenstadion in Mexiko-Stadt.
„Jetzt kriegt Diego den Ball.
Maradona hat ihn.
Zwei Mann sind an ihm dran, Maradona ist am Ball, das Genie des Weltfußballs zieht nach rechts, überläuft den dritten und müsste Burruchaga anspielen …
Maradona geht alleine!
Genie! Genie! Genie! Komm, komm, komm … und
Tooooooor! … Tooooooor!
Spektakulär!
Es lebe der Fußball!
Traumtor!
Diegol! Maradona!
Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin total begeistert …
Maradona mit einem denkwürdigen Lauf, einem Spielzug für die Ewigkeit … du kosmischer Drache… Von welchem Planeten bist du? An allen Engländern so vorbeizugehen, dass das ganze Land zu einer einzigen geballten Faust wird, die für Argentinien brüllt … Argentinien zwei, England null.
Diego! Diego! Diego Armando Maradona …
Gott sei gedankt für Fußball, für Maradona, für diese Tränen … für diesen Spielstand: Argentinien zwei, England null.“
Es sind unterschiedliche Trikots, und auch die Spiele unterscheiden sich in ihrer Bedeutung: Das eine ist ein Halbfinale in der Copa del Rey, das andere ein WM-Viertelfinale gegen einen Gegner namens England, auf den Argentinien erstmals seit dem Falkland-Krieg von 1982 trifft. Auch wenn es niemand zugibt, ist dieser Umstand, der mit Fußball nichts zu tun hat, doch recht deutlich spürbar … zumindest in den Herzen der Fans.
Die Protagonisten sind verschiedene. Der „kosmische Drache“ Maradona ist 25 Jahre alt; er ist ein Gott, ein weltweiter Superstar. Als der Goldjunge sein Tor erzielt, ist Messi, der Floh, noch nicht einmal auf der Welt. In jenem April 2007 ist er ein 19-jähriger Junge, der gerade einmal zwei Jahre zuvor sein Debüt in der spanischen Liga und in der Albiceleste gefeiert hat.
Auch die Begeisterung der Kommentatoren ist nicht zu vergleichen: Die Tränen, die geradezu epischen Gefühle und die südamerikanische Ausdrucksweise stehen im Gegensatz zur Präzision der spanischen Kommentatoren (zumindest bei dieser Gelegenheit), aber dennoch … beide Tore sind sich sehr ähnlich, als wenn einer vom anderen gelernt hätte. Und dieser Eindruck täuscht nicht.
Am darauffolgenden Tag kann die ganze Welt sehen, wie sich die Geschichte wiederholt. Im weltweiten Filmarchiv von YouTube löst das Tor einen Aufruhr unter den Internet-Benutzern aus. Es wird tausende Male angeklickt, genau wie Maradonas Tor. Es entspinnt sich eine Online-Debatte darüber, welches Tor denn nun besser sei. Jeder hat seine eigene Meinung, vom Experten bis zu den Fans. Gleichzeitig vergleichen die Medien beide Tore aus jeder denkbaren Perspektive und rühmen Leos Auftritt.
Schlagzeilen, Kommentare und Wortschöpfungen aller Art sind zu hören und zu lesen – von „Messidona“ bis „Der Fuß Gottes“ oder gar „Messi schockt die Welt“. Selbst die Sportzeitungen aus Madrid, die sonst sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, ihre Titelseite dem ewigen Rivalen aus Barcelona zu widmen, stimmen mit ein. Die Titelschlagzeile von Marca lautet: „20 Jahre, zehn Monate und 26 Tage später schießt Messi Maradonas Tor noch einmal.“ Und im Innenteil wird Víctor Hugo Morales zitiert: „Von welchem Planeten bist du?“ Niemandem ist entgangen, dass es sich um eines jener Ereignisse handelt, die man nur selten auf einem Fußballplatz sieht.
Das wissen auch die 53.599 Zuschauer im Camp Nou: Sie springen auf, greifen nach allem, was man schwenken kann – Zeitungen, Stadionmagazin, Taschentücher oder Schals – und wedeln im Pulk damit herum. Selbst diejenigen, die gerade nichts in der passenden Farbe zur Verfügung haben, beteiligen
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