Messi
erwischt hat und das Dickicht aus weißen Hemden nur gelegentlich durchdringen kann, wird er immer besser. Manchesters französischer Außenverteidiger Patrice Evra, der Mann, der United im April 2008 einen Sieg im Duell mit Lionel beschert hatte (0:0 im Hin- und 1:0 im Rückspiel), meinte bereits im Vorfeld: „Messi ist hungriger und heute ein besserer Spieler als noch vor einem Jahr.“ Recht hat er. 84 Prozent der Pässe Leos erreichen ihr Ziel. Die Pässe sind beinahe perfekt, so perfekt, dass selbst ein alter Haudegen wie Ryan Giggs zugibt, von den Socken zu sein. Schließlich kommt jene 70. Minute, in der der Floh in den römischen Himmel aufsteigen soll. Der Kleinste (man beachte seine Größe von 1,69 Meter) wird der Größte.
Die Szene: Nachdem die englische Abwehr den Ball nicht weit genug aus der Gefahrenzone schlagen kann, erobert Xavi die Kugel, stößt in Richtung Strafraum vor, hebt den Kopf und schlägt eine angeschnittene Flanke – weich und genau. Mit dem Rücken zu den Verteidigern springt Messi hoch, sehr hoch, und köpft den Ball in die dem Torwart entgegengesetzte Ecke des Kastens. Damit steht es 2:0.
Die Erklärung: „Als Xavi den Ball bekam, habe ich mich in Stellung gebracht, weil ich dachte, dass er ihn dorthin passen wird. Ich sah, dass van der Sar ein Stückchen vor der Linie stand, und habe geköpft.“
Das Foto: Messi schwebt gewissermaßen in der Luft, bewegungslos und hoch, sehr hoch, und etwas zurückgebeugt. Es sieht so aus, als würde das Leder über die Querlatte gehen. Im Vordergrund schaut der gelb gekleidete van der Sar dem Ball mit offenem Mund und entsetztem Gesichtsausdruck hinterher. Direkt daneben und doch weit entfernt vom Geschehen kann der im Vergleich zum Argentinier 20 Zentimeter größere Rio Ferdinand nichts tun, um den Sprung zu verhindern.
Die Vorgeschichte: Viele Menschen haben auf einen Treffer der Nummer 10 für Barça im Finale gewettet. Die Quoten der Buchmacher waren äußerst niedrig. Doch wohl nur wenige hätten ein Kopfballtor vorhergesagt. Bis dahin hatte Messi überhaupt erst zwei erzielt. Pep Guardiola, der seine Spieler vor dem Finale mit Hilfe eines Videoclips aus Ridley Scotts Film Gladiator aufgeputscht hatte, hatte als Einziger so etwas prophezeit. Als man ihn am 1. Februar 2009 in Santander einen Tag vor dem Spiel gegen Racing bei einer Pressekonferenz fragte, ob Messi mehr Kopfballtore erzielen müsse, um der beste Spieler der Welt zu werden, da antwortete der Trainer aus dem 7.000-Seelen-Ort Santpedor: „Ich rate euch, ihn nicht herauszufordern, weil er eines Tages ein unglaubliches Kopfballtor erzielen und euch alle zum Schweigen bringen wird.“
Das Kuriose: „Ich habe das Tor meines Sohns gar nicht gesehen“, gesteht Jorge Messi, der gemeinsam mit seiner Frau Celia, Leos Geschwistern und deren Familien auf der Tribüne saß. „In dem Moment habe ich zu Boden geschaut. Keine Ahnung, ob das an meinen Nerven lag. Ich habe es hinterher im Fernsehen angeschaut. Ehrlich gesagt habe ich ihn noch nie so hoch springen sehen. Aber wann hat er seinen Schuh ausgezogen?“ Denn kaum ist sein Sohn wieder auf dem Boden gelandet, dreht er eine Runde und hält als Hommage an Argentinien seinen neuen blauen Stiefel hoch – bevor er schließlich in den Umarmungen seiner Mannschaftskollegen verschwindet. Gleichzeitig skandieren die 20.000 Barça-Fans im Olympiastadion seinen Namen. Nach dem Abpfiff schließt Guardiola – der Mann, der ihm so viel Gutes getan hat – ihn als Ersten in seine Arme. Was aber ist mit dem großen Rivalen, Cristiano Ronaldo? Nun, er beendet das Spiel machtlos, fassungslos. Er liefert sich noch ein Wortgefecht mit Rooney und erhält für ein unnötiges Foul an Puyol die Gelbe Karte. Abgeschlagen und bereits im Anzug steckend wird er später sagen: „Das war kein Spiel zwischen Messi und mir. Aber seine Mannschaft war besser als wir, und er war es auch, weil er getroffen hat.“ Der Unterlegene zollt dem Sieger seinen Respekt.
Dieses Mal hat Leo endlich das Gefühl, dass der Pokal auch ihm gehört. Er küsst ihn, schließt ihn in die Arme, bestaunt ihn und nimmt ihn mit auf eine Ehrenrunde. Dieses Mal feiert er bis drei Uhr morgens mit seinen Mannschaftskollegen, seinen Freunden und seiner Familie. „Ich fühle mich, als wäre ich der glücklichste Mann der Welt. Ich komme mir vor wie im Traum. Das ist der wichtigste Sieg in meinem Leben. Ich widme ihn meiner Familie und Argentinien. Diese Mannschaft hat es nach der
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