Messi
einziger Albtraum. Guardiolas Männer gehen verschwenderisch mit ihren Chancen um, zum Teil aus Egoismus, wie etwa Messi. Er will mit aller Macht einen Treffer gegen Madrid landen (bei seinen drei vorangegangenen Spielen im Bernabéu hat er nicht einmal getroffen) und übersieht seine ungedeckten Mitspieler. Andere wiederum spielen zu uneigennützig, wie etwa Iniestas, der nach einem über den halben Platz reichenden Duett der Doppelpässe mit dem Argentinier nicht etwa den Abschluss sucht, sondern zum Floh abspielt, der aus kurzer Distanz abzieht – der Schuss wird abgeblockt von Casillas. Dennoch hat Barcelona in der 45. Minute bereits drei Tore erzielt. Nach dem Treffer von Henry und einem von Kapitän Puyol stellt Leo das Halbzeitergebnis her und erfährt dabei endlich die Freuden eines Tores auf dem Rasen der Weißen. Xavi, König dieses Abends, mopst Lass Diarrá in der Mitte des Feldes den Ball und leitet ihn zu Leo weiter. Dieser vollendet mit einem Schuss in die kurze Ecke. Das Bernabéu verstummt. Das traditionell in der Halbzeitpause verputzte Sandwich will nicht recht schmecken.
Nach dem Wiederanpfiff hat es zunächst den Anschein, als ob Pep Guardiolas Leute mit ihrem berühmten Gegner nicht allzu grausam umgehen wollten. Die Aufholjäger der Liga kommen durch einen von Sergio Ramos eingeköpften Freistoß Arjen Robbens kurzfristig zurück ins Spiel. Doch dieses Aufbäumen dauert nur wenige Minuten. Die Spieler Barças kontrollieren das Spiel vollkommen nach Belieben. Die Tore kommen ganz von alleine – weil Xavi noch mehr wundervolle Vorlagen liefert, weil Iniesta einen Sololauf nach dem anderen startet, weil Henry Ramos alt aussehen lässt und sein zweites Tor schießt und weil Messi wie ein Phantom überall auf dem Platz auftaucht, und zwar immer dort, wo man ihn am wenigsten erwarten würde. Auch Casillas wird von ihm überrascht und findet sich auf dem Hosenboden wieder, während der Ball ins Netz gleitet. Nach Treffer Nummer fünf läuft der Junge aus Rosario schließlich in Richtung der Kameras, zieht sein blau-rotes Trikot mit den Zähnen hoch und zeigt das darunter liegende Shirt. Darauf sind eine Blume und die Worte „Síndrome X Frágil“ zu erkennen. Leo arbeitet mittlerweile schon länger mit einer katalanischen Organisation zusammen, die Familien unterstützt, deren Kinder unter dem Fragilen X-Syndrom (FXS, auch als Martin-Bell-Syndrom bekannt) leiden. Es handelt sich dabei um einen vererbten genetischen Defekt, der zu ernsthaften Problemen führen kann: von Lernschwierigkeiten bis hin zu verminderter geistiger Leistungsfähigkeit. Davon betroffen sind einer von 4.000 Jungen und eines von 6.000 Mädchen, während eine von 250 Frauen den Defekt in sich trägt, ohne entsprechende Symptome zu zeigen. Messi unterstützt die Organisation nicht zum ersten Mal. 2008 gehörte er zu den Förderern des Buches 39 historias solidarias alrededor del deporte (39 solidarische Geschichten rund um den Sport) , das von katalanischen Journalisten verfasst wurde und dessen Verkaufserlös an die Organisation weitergeleitet wird. Diese Geste der Solidarität aber, die Widmung dieses Tores, wird auf der ganzen Welt ausgestrahlt und informiert Millionen von Menschen über ein genetisches Problem, das nach wie vor zu wenig erforscht ist.
Kehren wir zu jenem beispiellosen Spiel zurück, in dem Barça nach Belieben schalten und walten kann. Ein guter Beleg dafür ist Gerard Piqué. In der Abwehr der Turm in der Schlacht – ihm unterläuft kein einziger Fehler –, erzielt er vorne den sechsten Treffer und zerstört damit alle Hoffnungen Real Madrids. Niemand wird Barcelona noch von der Tabellenspitze verdrängen, sie verfügen nun über einen Vorsprung von sieben Punkten. Vielleicht hätte sie auch bei einem anderen Ausgang des Spiels niemand mehr von dort vertreiben können. Dessen ungeachtet ist dieses Spiel sicherlich einer der Höhepunkte einer Saison, in der Barça sowohl auf der spanischen als auch auf der europäischen Bühne eine tolle Show hinlegte. Gleichzeitig ist es der Schlusspunkt unter ein dunkles Kapitel in der Geschichte Real Madrids. Die Weißen müssen nun auf die Wahlen und einen neuen Präsidenten warten – oder vielmehr auf einen Retter in Gestalt von Florentino Pérez, der mit diversen Millionen diese schwächelnde Mannschaft neu aufbauen wird, die bis zu diesem Zeitpunkt immerhin amtierender Meister war.
Doch das ist nicht alles. Der deutliche 6:2-Sieg hat auch den Geschmack süßer
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