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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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verstand.
    »Zu Hause gibt es Ärger«, erklärte der Franzose. »Und hier wird man darauf reagieren. Wir sind erst wieder in Sicherheit, wenn wir die Stadt erreicht haben.«
    Stirnrunzelnd schaute Manolis mich an, blickte dann zu den Unterhändlern und schließlich erneut zu mir. Er hatte Verdacht geschöpft. Er bemerkte die Anspannung und fragte sich, was man ihm verheimlichte.
    »Sagen Sie ihm, dass er das Radio ausmachen soll!«, verlangte Tojo, der andere Unterhändler. (Im Autoradio lief knisternde Busuki-Musik.) »Jederzeit kann die Nachricht durchgegeben werden, und dann will er uns wahrscheinlich nicht mehr fahren.«
    »Erzählen Sie ihm, dass mein Kollege hier einen Herzanfall erlitten hat und wir ihn dringend nach Hause bringen müssen«, befahl der Franzose.
    Ich sagte dem Taxifahrer, dass der japanische Illyrier sehr krank sei und Ruhe brauche.
    Manolis zog eine finstere Miene, warf einen zweifelnden Blick auf Tojo und schaltete widerwillig das Radio ab.
    »Tausend Drachmen zum Flughafen«, sagte er kühl.
    Wir erklärten uns ohne weitere Diskussion einverstanden.
    »Es gab eine große Squippie-Demonstration zu Hause«, erklärte mir Claude angespannt. (»Squippie« war damals eine abfällige Bezeichnung für Gastarbeiter, unter denen sich viele Albaner befanden, die sich auch Shquips nannten.) »Ein paar Leute sind gestorben, die meisten davon Griechen. Wir müssen raus aus Epiros, bevor die Neuigkeiten sich rumsprechen.«
    Aber sie sprachen sich bereits rum. Man konnte buchstäblich dabei zusehen. Es war, als würde eine Wetterfront übers Land ziehen. Ein Weilchen blieben die Leute auf den Straßen noch ruhig, wie sie es den ganzen Morgen und die letzten beiden Tage über gewesen waren. Dann gab es zunehmend Anzeichen von Aufregung: Gruppen bildeten sich, Menschen berieten sich miteinander und betrachteten das Taxi mit uns dreien darin – mit unseren illyrisch aussehenden, glattrasierten Gesichtern und unseren weißen, kragenlosen Anzügen.
    Jemand warf einen Stein auf uns.
    Ein anderer rief etwas.
    Dann wurde das Auto hin- und hergeschaukelt. Fäuste hämmerten aufs Dach ein, Fußtritte trafen die Türen, Gesichter starrten zornig durch die Fenster.
    Jemand trat fest gegen Manolis’ Tür. Er kurbelte sein Fenster herunter und brüllte wütend hinaus.
    »Es gibt etwa dreißig Tote«, meinte Claude. (Er hörte über ein Headset Nachrichten, während er sprach.) »Fast alles Griechen aus Epiros.«
    »Atheisten! Mörder!«, schrien die Leute nun. Eine Gruppe Jugendlicher machte sich daran, uns den Weg zu versperren.
    Manolis trat aufs Gas und scheuchte sie beiseite, indem er einfach direkt auf sie zusteuerte.
    Er bog um eine Ecke und hielt unvermittelt an.
    »Na schön, steigt sofort aus«, sagte er.
    Claude holte ein Bündel Geldscheine hervor.
    »Zehntausend, wenn Sie uns zum Flugplatz bringen!«
    Tojo holte eine Pistole hervor und richtete sie auf Manolis’ Kopf.
    Der Fahrer grinste freudlos.
    »Du kommst mir nicht besonders krank vor.« Dann zuckte er mit den Schultern. »Na schön, zehntausend Drachmen also. Aber achtet darauf, dass alle sehen, wie ich mit der Waffe bedroht werde.«
    Ein Ziegelstein durchschlug die Windschutzscheibe, und ein Regenschauer aus Glassplittern ging auf meinen Anzug nieder.
    »Und lass die Waffe gesichert«, fügte Manolis mit zusammengebissenen Zähnen hinzu. »Wenn du mir den Kopf wegpustest, bringe ich euch nämlich nicht mehr zum Flughafen.«
    Er schwitzte enorm. Die illyrischen Beamten schwitzten ebenfalls. Alle drei brummten eine Reihe hässlicher Flüche in ihren jeweiligen Muttersprachen.
    Doch ich, der ich mich vor so vielen Dingen fürchtete, hatte seltsamerweise kein bisschen Angst. Mehr noch, ich war von einem Hochgefühl erfüllt. Ich erkannte durchaus die reale Möglichkeit, dass man das Auto zum Stehen bringen und uns drei Illyrier hinauszerren und totschlagen würde. Aber diese Aussicht wurde völlig von dem wunderbaren und mir fremden Gefühl überlagert, wirklich am Leben zu sein.

    Irgendwie schafften wir es durch die Stadt und zum Flugplatz, auf dem der Helikopter der illyrischen Luftstreitkräfte mit laufendem Rotor und dem aufgemalten schwarz-weißen Auge Illyriens an der Seite auf uns wartete. Ein weiterer Kampfhubschrauber wartete in der Luft, um dafür zu sorgen, dass niemand uns bei der Abreise in die Quere kam.
    Bald waren wir sicher auf dem Weg über die Berge Zagoriens und nach Hause. Die Besatzung des Helikopters brachte uns auf den

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