MetaGame: Science-Fiction Thriller (German Edition)
unfehlbaren Gleichgewichtssinn hatte. Er sah auf das katzengleiche Wesen hinab. Die Außenfläche seines Körpers war weich und sein synthetisches Fell überzeugend. Seine organischen Computerchips strahlten Hitze ab, was das äußere Erscheinungsbild eines Säugetiers noch bekräftigte. Alles, was Smorgeous noch benötigte, um ein vollkommenes Katzenwesen zu sein, war das Schnurren. D_Light war jedoch stolz darauf, zu pragmatisch eingestellt zu sein, um wertlose, kitschige Software herunterzuladen, die Vertrauten das Schnurren, Miauen oder Schnüffeln ermöglicht hätte.
D_Light richtete die
Terralova
direkt hinaus in das endlose Blau. Das Schiff jagte voran, da seine Segel, die aus lebenden Fasern bestanden, alles aus dem Wind herausholten. Es fühlte sich an, als wolle es ebenso schnell hinaus wie er selbst. Er hörte das vertraute Klatschen und Zischen des Wassers direkt unter sich, gepaart mit der leichten Kühle, wenn gelegentlich eine Welle über seinen Gurten zusammenschlug und seinen Schutzanzug benässte. Keine Spiele. Heute hatte er genügend Punkte gemacht. Einfach bloß Wasser und Sonne.
D_Light erledigte so viel wie möglich seines Malocherspiels draußen auf dem Wasser. Deswegen setzte er gern auf Spiele, die nicht seine körperliche Anwesenheit irgendwo erforderten, es sei denn, »irgendwo« war zufällig in der Nähe und vom Meer aus zugänglich. Zum Glück hatten die meisten Malocherspiele, die er spielte, Software zu entwickeln oder zu debuggen, daher ließen sie sich gewöhnlich virtuell spielen. Malocherspiele gestatteten eine virtuelle Interaktion mit dem Spiel ohne körperliche Anwesenheit. Andererseits war das bei Spankgames – Spielen, die zuallererst der Unterhaltung dienten – nicht möglich. Aus Sicht des Spiels war Faulheit eine Sünde, also war das Mindeste, was man tunkonnte, wenn man ein Spiel ohne produktiven Nutzen spielte, den Körper zu trainieren.
Der Wind war böig, und das Tosen der Luft, die an seinen Ohren vorbeirauschte, übertönte das Geräusch, mit dem er in einem tiefen, zufriedenen Seufzer die Luft ausstieß.
Ich lebe und bin frei!
Der Gedanke war ebenso gezwungen wie das Lächeln, das er sich aufs Gesicht nötigte. Echt oder nicht, wenn er lächelte, fühlte er sich immer ein wenig besser. Und warum sollte er nicht glücklich sein? Mit seinem neuesten Punktestand konnte er es sich leisten, ein paar Tage freizunehmen – genügend lange für ein bisschen Insel-Hopping. Es gab Außenseiter auf einigen der weiter entfernten Inseln.
Das könnten richtige Ferien sein
, dachte er.
Sich aus dem Spiel ausloggen und ein oder zwei Tage wie früher leben. Die Außenseiter könnten mir zeigen, wie sie das machen
.
Herr, da ist ein Anruf von Mutter Lyra Ramanavi
.
D_Light hatte Smorgeous angewiesen, seine Anrufe zurückzuhalten, aber der Vertraute wusste, dass sein Herr diesen hier entgegennehmen wollte. Smorgeous verstand die soziale Hierarchie der Menschen nicht völlig, aber seine Muster-Erkennungssoftware war daran angepasst, Verbindungen wie diese hier herzustellen. Hausadel hatte sehr hohe Priorität für Kontakte.
Es war kein Anruf, bloß eine Nachricht. Ein Ruf.
Verdammt!
, dachte er. Jeden anderen könnte er versetzen, aber Mutter Lyra war von Adel, und man durfte sie als solche nicht warten lassen. Auch durfte man Adel nicht zurückrufen. Wenn sie mit ihm ein Ferngespräch hätte führen wollen, dann hätte sie es getan.
Mechanisch drückte D_Light die Pinne herum, richtete die Segel neu aus und wendete die
Terralova
, sodass ihr Bug wieder zurück aufs Schloss zeigte.
D_Light hatte gemischte Gefühle hinsichtlich eines Treffens mit Mutter Lyra. Auf der einen Seite mochte er von allen seinen Müttern Lyra besonders gern. Zunächst einmal gefielen ihr seine Arbeiten, insbesondere seine Avatare, also wusste sie tatsächlich, wer er war. Außerdem war siebei der einen Gelegenheit, zu der er sie getroffen hatte, freundlich zu ihm gewesen. Was D_Light jedoch besonders an Lyra mochte, war die reine Prächtigkeit der Frau selbst. Zu sagen, Lyra sei schön, war eine gewaltige Untertreibung. Fast alle hatten so viel Engineering in ihrer Ahnenreihe, dass sie angenehm für das Auge waren, aber Lyra stand eine Stufe darüber. Ihre Vorfahren waren unter den letzten, die engineert wurden, bevor direkte Modifikationen an der Keimzelle verboten wurden, nach dem Engpass. Zu dieser Zeit lieferten die Ärzte ihre besten Arbeiten ab, insbesondere im Zeitalter der körperlichen
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