Metanoia - Du sollst Buße tun (Kommissar Pfeifers zweiter Fall)
Torsten Bolander
auf dem Plan stand. Sein Anwalt hatte ihn am Vortag bereits wieder gegen eine
beträchtliche Kaution auf freien Fuß bekommen und er erwartete sie bei sich zu
Hause. Das Angebot eines Freundes, bei ihm zu wohnen, hatte er abgelehnt. Er
wollte in seinem eigenen Haus sein und um seine tote Frau und seine
Adoptivtochter trauern. So behauptete er zumindest. Beate hegte allerdings ihre
Zweifel an der Geschichte. Sie glaubte eher daran, dass er versuchen würde,
Beweismittel aus dem Weg zu schaffen.
Als die Beamten an der Bolander-Villa eintrafen,
war es erst halb neun, doch der Hausherr hatte sie bereits entdeckt und öffnete
ihnen, perfekt gekleidet und gepflegt, die Eingangstür, noch bevor sie den
Klingelknopf betätigen konnten. „Guten Morgen Frau Scheck, Herr Pfeifer. Bitte,
treten Sie doch ein. Möchten Sie einen Kaffee?“
Beate hatte ein Déjà-vu. Melanie hatte sie
ebenfalls so freundlich begrüßt hier in ihrem Haus. Bevor sie … Die Kommissarin
spann diesen Gedanken nicht zu Ende. Sie hatte die halbe Nacht lang wach
gelegen und sich gefragt, ob sie hätte sehen müssen, dass es Melanie so schlecht
ging, und ob sie deren Selbstmord eventuell hätte verhindern können. Sie
grübelte noch immer darüber nach, was ihrer Aufmerksamkeit entgangen war. Das
Ergebnis war mehr als dürftig. Jetzt war außerdem keine Zeit für
Selbstvorwürfe. Sie hatten eine Vernehmung durchzuführen und Pfeifer erwartete,
zu Recht, volle geistige Anwesenheit.
Also nickte sie freundlich. „Ja, gerne. Mit Milch
und Zucker. Vielen Dank.“
„Für mich schwarz, bitte“, forderte Pfeifer. Er
ging voran und sah sich neugierig um. Am Vortag hatte er sich ausschließlich im
„Herrenzimmer“ aufgehalten. Eine Hausdurchsuchung war nicht vorgesehen gewesen,
da sie offiziell ja von einem Suizid ausgehen mussten. „Sie haben hier ein sehr
schönes Haus, Herr Bolander. Das Restaurant muss gut laufen?“
„Ja, in der Tat. Zumindest bis diese widerwärtigen
kleinen Ratten es mit ihrer Sprayattacke verschandelt haben. Außerdem kommt ja
jetzt noch Melanies Tod dazu. Erst Silke, dann sie …“, er machte eine kurze
Pause bevor er weitersprach, nahm eine Tasse aus dem Küchenschrank und fuhr
dann fort: „… und jetzt hat irgendjemand das Gerücht in die Welt gesetzt, ich
hätte die beiden umgebracht. Noch halten meine Freunde zu mir, aber wenn Sie
nicht schnell das Gegenteil beweisen, kann ich den Laden dicht machen.“ Er reichte
ihnen den Kaffee.
Die Kommissare hatten dem Mann aufmerksam zugehört.
Beate machte sich Notizen und Pfeifer nahm den Kaffee entgegen.
„Schon toll, so eine Maschine“, Pfeifer strich
liebevoll über den Kaffee-Vollautomat.
„Ja. Man spart sich eine Menge Arbeit. Lassen Sie
uns ins Wohnzimmer gehen und die Sache endlich hinter uns bringen. Sie sind ja
nicht hier, um mit mir über Kaffeemaschinen zu sprechen, oder?“
Pfeifer lächelte. „Sie haben recht. Bleiben wir bei
den wichtigen Dingen.“
Die drei gingen zwei Zimmer weiter. Wohn- und
Esszimmer waren geschickt kombiniert worden und verfügten über eine
beeindruckende Größe.
Bolander bot ihnen einen Platz am Esstisch an, an
dem gut zwölf Leute Platz finden konnten, wenn sie etwas zusammenrückten. Beate
zählte allerdings nur zehn Stühle und dachte: Hier rückt keiner zusammen.
Gehört sich vermutlich nicht.
„Also, was wollen Sie wissen?“, fragte der
Restaurantbesitzer knapp.
„Zunächst einmal würde mich interessieren, wie es
Ihnen geht?“ Beate übernahm als erste die Initiative.
Bolander wirkte überrascht über die Eröffnungsfrage
und gab keine Antwort.
„Naja, immerhin ist gestern Ihre Frau gestorben,
Ihr Restaurant wurde verwüstet …“, probierte Beate es weiter.
„Ja, ja, ja…“ Bolander machte eine ungeduldige
Handbewegung. „Ich weiß das alles. Ich war dabei, schon vergessen? Na ja, bei
dem Restaurant-Teil zumindest. Und dass Melanie sich umgebracht hat, ist für
mich keine sehr große Überraschung. Sie litt seit Jahren an Depressionen. Bis
vor zwei Jahren nahm sie Medikamente, Antidepressiva und Schlaftabletten. Aber
plötzlich weigerte sie sich, sie weiterhin einzunehmen, und von da an ging es
immer weiter bergab mit ihr. Zum Schluss konnte sie nicht mehr arbeiten, verlor
immer mehr Kunden und musste schließlich ihr Büro aufgeben. Sie war
Innenarchitektin. Sehr erfolgreich, bis eben diese Krise oder wie immer Sie es
nennen wollen, auftrat.“ Er holte tief Luft und fuhr dann fort.
Weitere Kostenlose Bücher