Metanoia - Du sollst Buße tun (Kommissar Pfeifers zweiter Fall)
mehr tun. Das regelt jetzt die Polizei. Ben und die
anderen werden mich auf dem Laufenden halten. Ehrlich, es ist nichts weiter.“
Er sah seiner Mutter jetzt direkt in die Augen. Offen und ehrlich, wie er
hoffte. Und sie ließ ihn schweren Herzens, aber unbehelligt ziehen, als sein
Taxi vorfuhr, das ihn zum Bahnhof bringen würde.
Miriam war eine intelligente und lebenserfahrene
Frau und sie ließ sich nicht so leicht täuschen. Sie ahnte, dass irgendetwas
vorgefallen sein musste, und machte sich große Sorgen um ihr einziges Kind.
Aber wenn Chris nicht reden wollte, hatte sie wohl keine andere Wahl, als ihn
nach Frankfurt fahren zu lassen. Doch sie schwor sich, ihn nicht so leicht vom
Haken zu lassen. Sie nahm sich vor, ihn bei der nächstbesten Gelegenheit noch
einmal darauf anzusprechen. Einstweilen jedoch hatte sie hier genug Arbeit.
Zehn Pferde, drei altersschwache Ponys und zwei Hunde nahmen sie voll und ganz
in Anspruch und es wurde Zeit, dass sie endlich mit dem Ausmisten der Ställe
begann. Heute blieb alles an ihr hängen, da ihr Mann bei einer Pferdeauktion in
Straubing war und erst morgen Nachmittag zurückkommen würde.
27
Christopher saß im Zug und dachte nach. Er
überlegte, was er als Nächstes tun sollte. War es besser, gar nichts zu
unternehmen und den Dingen ihren Lauf zu lassen, oder sollte er zur Polizei
gehen? Aber an wen sollte er sich wenden? Die Frankfurter interessierten sich
sicherlich herzlich wenig für die Vorkommnisse in einer badischen Stadt namens
Achern. Und zurückkehren wollte er auf keinen Fall. Aber vielleicht könnte er
diesen Hauptkommissar anrufen. Pfeifer oder so ähnlich, aus Freiburg? Ja, das
würde er versuchen. Sobald er in Frankfurt angekommen war, würde er sich daran
machen, die Nummer herauszufinden. Die nächste Frage, die sich ihm stellte,
war: Würde Pfeifer ihm glauben? Er fand ja selbst, dass seine Geschichte
haarsträubend klang, und beweisen konnte er erst recht nichts. Er starrte aus
dem Fenster auf die vorbeifliegenden Felder und Büsche, die langsam zu einer
Einheit verschwammen, und dann war er auch schon eingeschlafen.
2 8
Es war kurz nach Mitternacht, als Miriam erwachte.
Zunächst konnte sie das Geräusch, das sie geweckt hatte, nicht einordnen. Ein
Knacken und Knistern. Etwas knirschte. Sie lauschte noch eine Weile lethargisch
auf das merkwürdige Zischen. Ihr Verstand kam nur sehr langsam auf Touren, er
weigerte sich standhaft, die Geräusche sinnvoll zu verwerten. Doch nach und
nach nahmen auch die anderen Sinnesorgane ihre Arbeit auf und setzten das
Puzzle schließlich Stück für Stück zusammen. Zischen, Knirschen, Knacken und
Rauch. Dann endlich begriff Miriam: Es brennt! Die Pferde! Von da an
ging alles ganz schnell. Mit einem großen Satz sprang sie aus dem Bett und
schlüpfte in ihre Hausschuhe. Dann war sie auch schon unten im Flur. Hektisch
fummelte sie am Schloss der Eingangstüre herum. Ihre Hände zitterten dabei so
sehr, dass es länger als üblich dauerte, sie aufzubekommen. Sie riss an der
Türe, doch die schlug mit einem lautem „Rumms“ gegen die Kette. Mist! Wieso
habe ich ausgerechnet heute die Kette vorgelegt? Dann fiel es ihr wieder
ein. Das hatte sie nur getan, weil ihr Mann nicht zu Hause war. Sie benutzten
die Kette sonst so gut wie nie. Miriam nestelte an dem Verschluss und fluchte
laut. „Verdammt!“, schrie sie verzweifelt, als ihr der Verschluss zum
wiederholten Mal aus den Fingern glitt. Zwischenzeitlich waren auch die Hunde
aufgewacht und liefen ihr aufgeregt winselnd zwischen den Beinen herum.
Draußen hörte sie die Pferde wiehern. Aber es war
kein fröhliches Geräusch, sondern schrill und ängstlich. Sie wollten flüchten
und konnten nicht, weil die Stalltüren ihnen den Weg versperrten. Und anstatt
ihnen zu helfen, bekam sie dieses verflixte Schloss nicht auf. Miriam stieß
Flüche aus, von denen sie bislang nicht einmal geahnt hatte, dass sie sie
kannte.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Haustüre
endlich aufschwang. Tatsächlich aber waren von dem Moment des Erwachens bis zum
Zeitpunkt des tatsächlichen Verlassens des Hauses nur wenige Minuten vergangen.
Sie hastete hinaus und erstarrte kurz vor
Ehrfurcht. Der Anblick, der sich ihr bot, war entsetzlich und faszinierend
zugleich. Die Flammen kamen aus dem hinteren Teil des Stalls. Sie züngelten
mehrere Meter hoch hinauf und tauchten alles in ein glühendes Orange. Das
Krachen und Knistern war inzwischen einem ohrenbetäubenden Tosen
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