Metanoia - Du sollst Buße tun (Kommissar Pfeifers zweiter Fall)
gewichen. Die
Hitze wurde umso unerträglicher, je näher Miriam dem Stall kam. Trotzdem hatte
sie keine andere Wahl. Sie musste die Tiere retten. Scharrende Hufe, lautes
Wiehern und Schmerzensschreie hallten ihr entgegen. Miriam liefen die Tränen
über die Wangen. Ihre Schreie der Verzweiflung gingen jedoch in dem Dröhnen der
Feuersbrunst ungehört unter. Einen kurzen Moment der Ratlosigkeit, dann rannte
sie los. Sie riss die Boxentüren auf und verbrannte sich die Hände an den
Metallriegeln, die bereits so heiß waren, dass man sie mit bloßen Händen
eigentlich nicht mehr anfassen konnte. Angetrieben von einer unbändigen Wut,
spürte sie keine Schmerzen. Die riesigen Brandblasen, die sich gebildet hatten,
nahm sie nicht wahr. Sie dachte nur an eines: Sie hatte nicht vor, auch nur ein
einziges ihrer Tiere zu verlieren.
Einer Eingebung folgend, zog sie zwischendurch ihr
Nachthemd aus, zerriss es und wickelte sich Stücke davon um ihre Hände. Damit
konnte sie die noch verbliebenen Riegel besser anfassen und öffnen.
Immer wieder lief sie weg, um Luft zu holen. Sie
hustete den beißenden Qualm aus und hoffte inständig, sie möge nicht ohnmächtig
werden. Miriam gab nicht auf. Sie kämpfte die ganze Nacht lang
mutterseelenallein um das Leben ihrer geliebten Tiere.
Der Reiterhof lag weit ab von der Sasbacher
Wohngemeinde, sodass das Feuer zunächst niemandem auffiel. Erst als der erste
Landwirt und nächster Nachbar der von der Lindens, sich gegen halb fünf auf den
Weg zu seinem Stall machte, sah er die Flammen und den dicken schwarzen Rauch
am Himmel. Er zögerte nicht eine Sekunde. Er schwang sich sofort auf seinen
Traktor, um zu sehen, wer oder was dort in Flammen aufging. Unterwegs
informierte er die Feuerwehr. Als er wenig später auf dem Reiterhof ankam, fand
er eine halbnackte, rußgeschwärzte Miriam mit schweren Verbrennungen an Armen,
Händen und im Gesicht vor. Sie stand zitternd inmitten ihrer Pferde und Hunde
auf der Koppel und sah fassungslos zu, wie ihre gesamten Stallungen vollständig
niederbrannten.
„Sie hatten großes Glück, dass der Wind von Osten
kam, so konnte das Feuer nicht auf Ihr Wohnhaus übergreifen.“ Der
Feuerwehrhauptmann legte Miriam eine Decke um die Schultern. „Der Krankenwagen
müsste gleich hier sein. Sie haben eine Rauchvergiftung und schwere
Verbrennungen davongetragen. Sie müssen in eine Klinik.“
„Nein, ich kann nicht weg. Meine Pferde … Mein Mann
ist nicht hier, wer kümmert sich denn jetzt um die Tiere?“
Der Landwirt sprang vor. „Miri, mach dir keine
Sorgen. Ich übernehme das. Ich bringe sie vorerst auf meine Nordweide. Dort
sind heute keine Kühe. Da können sie sich erstmal ausruhen. Ich lasse auch den
Tierarzt kommen. Kümmere du dich erstmal um dich selbst.“
Miriam traten die Tränen in die Augen. „Danke,
Gerd“, brachte sie hustend hervor. Zu mehr war sie nicht in der Lage. Zu sehr
hatten sie die Vorkommnisse der vergangenen Nacht mitgenommen.
Eines der Tiere hatte sie trotz ihres unermüdlichen
und unerschrockenen Einsatzes dennoch verloren. Es hatte sich in einem der
hinteren Ställe, in denen das Feuer vermutlich ausgebrochen war, befunden.
Eigentlich hätten die hinteren Boxen leer stehen sollen, doch sie hatte Maja
gestern Abend von den anderen fernhalten wollen, da sie gesundheitlich ein
wenig angeschlagen war und sie ihr etwas Ruhe gönnen wollte. Sie schluchzte
wieder auf. Maja, es tut mir so leid. Diese Worte gingen ihr immer
wieder durch den Kopf, als sie auf dem Weg ins Krankenhaus war. Wie sollte sie
das nur ihrem Sohn beibringen?
29
Pfeifer und Beate machten sich an diesem Morgen sehr
früh auf den Weg. Es wartete viel Arbeit auf sie. Sie verdonnerten Leander dazu,
in Freiburg zu bleiben und der Autopsie Melanie Bolanders beizuwohnen. Er hatte
den Auftrag, sich sofort zu melden, sobald Dr. Bode Näheres herausgefunden
hatte.
Leander erklärte sich, wider Erwarten, sofort damit
einverstanden. Er vergötterte den Pathologen geradezu und Bode wiederum
schätzte Leanders umfassende Allgemeinbildung und seinen trockenen Sinn für
Humor.
„Dann haben wir beiden ja einen Gefallen getan,
meinst du nicht?“, fragte Pfeifer spöttisch. „Stell dir nur mal vor, Bode
müsste sich stattdessen mit einem von uns herumschlagen.“
„Nicht auszudenken“, sagte Beate und wirkte dabei
geistesabwesend. Sie hatte Pfeifer nicht richtig zugehört. In Gedanken befand
sie sich bereits in Achern, wo als erstes die Vernehmung von
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