Metanoia - Du sollst Buße tun (Kommissar Pfeifers zweiter Fall)
sich. Jetzt würde endlich ein vernünftiges Gespräch möglich sein.
„Also fangen wir noch mal von vorne an. Bitte sagen
Sie mir, was da vor zwei Jahren tatsächlich passiert ist. Da muss etwas gewesen
sein. Ich höre immer wieder, dass bis vor zwei Jahren alles in Ordnung war, und
plötzlich hat sich alles verändert. Ihre Frau, Ihre Tochter. Was war da los,
Herr Bolander?“ Pfeifer sprach jetzt eindringlich und versuchte, den
Blickkontakt nicht zu verlieren.
„Ich habe keine Ahnung, Herr Kommissar, ehrlich.“
Torsten Bolander war ein verdammt guter
Schauspieler, das musste man ihm lassen. Aber einen Karl Pfeifer täuschte man
nicht so leicht. Wenn der sich erst einmal festbiss, ließ er so schnell nicht
mehr los. Er hatte nicht umsonst eine Aufklärungsquote von hundert Prozent. Er
würde herausfinden, was da geschehen war, und wenn es das Letzte war, was er tat.
Einstweilen jedoch wechselte er das Thema.
30
Alles war schief gegangen und das ärgerte ihn
wirklich sehr. Die Windrichtung hatte nicht gestimmt. Das Feuer hatte die ganze
Nacht gewütet, aber nicht auf das Wohnhaus übergegriffen, sondern nur auf das
angrenzende Waldstück. Er hatte einen Fehler gemacht und das war unverzeihlich.
Eventuell konnte es sogar zu seiner Ergreifung führen. Das war immer so. Der
perfekteste Plan funktionierte nicht, wenn man unvorsichtig war.
Eigentlich hatte er geplant, den gesamten
Pferdebestand zu vernichten und nicht nur ein jämmerliches, kleines,
altersschwaches Pony. Er hatte den Hof der von der Lindens zugrunde richten
wollen. Als Warnung an Christopher, sich künftig aus seinen Angelegenheiten
herauszuhalten. Dass die Mutter allein gewesen war, war eine glückliche Fügung
des Schicksals gewesen, und er hatte es wieder einmal vergeigt. Er war ein
jämmerlicher Versager, so wie sein Vater es immer wieder betont hatte. Er
lachte zynisch. Sein alter Herr würde sich freuen, wenn er es erfuhr.
Er konnte den Hohn und Spott, den er über ihm
ausschütten würde, bereits hören: „Siehst du, Sohn, ich habe es doch gewusst,
du bist ein elender Wurm. Ein Versager, ein Nichts!“ Und er würde den Kopf
einziehen, sich ducken und mit hängenden Schultern davonschleichen. So wie er
es immer tat, wenn sein großer, perfekter Vater über ihn zu Gericht saß.
Er öffnete die kleine, grüne Pillendose und nahm
sich noch ein Plättchen heraus. Er legte es sich unter die Zunge und wartete,
bis die Wirkung einsetzte. Diese wohltuende Leichtigkeit, das intensive Erleben
auch der kleinen und unscheinbaren Dinge. Vor allem aber freute er sich darauf,
sich auf eine andere spirituelle Ebene heben zu lassen. Er wollte mit seinen
Göttern in Kontakt treten und das war nur durch seine Droge möglich. Alsbald
schon würde er Isis treffen und sie würde ihm seine Unzulänglichkeiten
verzeihen. Das hatte sie immer getan. Zu ihr hatte er gehen können, wenn sein
Vater ihm wieder einmal Vorwürfe gemacht und ihn beschimpft hatte. Sie hatte
ihn getröstet, ihm zugehört, ihn verstanden. Bis eines Tages auch sie auf dem
besten Weg war, ihn zu verlassen. Und daran war nur ihr dämlicher Stiefvater
schuld. Hätte er seine widerlichen, gierigen Hände bei sich behalten, wäre sie
niemals auf die Idee gekommen, abzuhauen.
Nach England hatte sie gehen wollen. Ohne ihn. Sie
wollte ihn allein lassen. Das hatte er nicht zulassen können. Und jetzt würde
sie nirgendwo mehr hingehen. Sie war bereits angekommen. Jetzt wartete sie auf
ihn. Und er würde ihr folgen, schon bald.
31
Pfeifer und Beate verließen nach gut zwei Stunden
anstrengender Vernehmung erschöpft die Bolander´sche Villa. Aber die Arbeit
hatte sich gelohnt. Torsten Bolander hatte ihnen doch noch einige neue
Informationen bezüglich Melanie zukommen lassen. Unter anderem hatten sie
erfahren, dass er kurz vor Melanies Selbstmord einen Brief in der Handtasche
seiner Frau gefunden hatte, der offensichtlich für ihn bestimmt gewesen war.
Geöffnet hatte ihn allerdings versehentlich Melanie. Als Pfeifer den Brief
gelesen hatte, verstand er plötzlich, warum der Restaurantbesitzer auf einmal
so durchdrehte.
Wir wissen alles über die Vergewaltigung. Und wir
werden nicht schweigen, außer, Sie zahlen. Wir melden uns wieder.
Stand da in fettgedruckten Buchstaben zu lesen.
Bolander wäre erledigt, wenn dieser brisante Inhalt
jemals an die Öffentlichkeit gelangte. Für die Presse wäre die Anschuldigung
über die Vergewaltigung einer minderjährigen Prostituierten ein
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