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Meteor

Meteor

Titel: Meteor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Brown
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sich über das dahintreibende Eisfloß gelegt. Der Wind wurde immer ruhiger, je weiter sie sich vom Gletscher entfernten. Rachels Pochen war erstorben, und Corky gab keinen Laut mehr von sich. Tolland merkte, wie sein eigener Körper immer stiller wurde. Sein unter der Kopfhaube gut vernehmbarer Atem wurde langsamer… und flacher. Er hatte das Gefühl, zusammengestaucht zu werden, während sein Blut aus den Extremitäten in die lebenswichtigen Organe flüchtete wie die Soldaten in eine Auffangstellung.
    Aber er wusste, die Schlacht war verloren. Die schmerzhafte Phase war vorüber. Er hatte das Gefühl aufzublähen, zu schweben. Er schaute zurück zum Milne-Eisschelf, der jetzt nur noch ein milchiger Streifen im schwachen Mondlicht war. Als einer der ersten Reflexe setzte Tollands Lidschlag aus. Sein Blickfeld trübte sich, als die im Augeninnern zirkulierende Flüssigkeit gefror.
    Tolland begann zu halluzinieren. Auf der Schwelle zur Bewusstlosigkeit träumte er nicht von Rettung, Wärme und Sicherheit.
    Seine letzte Vision war furchtbar.

    Mit unheilvollem Zischen brach der schlanke schwarze Leib eines tödlichen Ungeheuers neben dem Eisberg durch die schäumende Wasseroberfläche. Tolland versuchte angestrengt zu blinzeln. Sein Blick klärte sich ein wenig. Das Monstrum war ganz nahe; sein Leib keilte gegen den Rand des Eises wie ein riesiger, glänzender Hai, der ein kleines Boot bedrängt. Vor Tollands Augen wurde es schwarz. Nur noch die furchtbaren Geräusche drangen zu ihm. Metall mahlte auf Metall. Zähne gruben sich ins Eis. Es kam näher. Leiber wurden fortgeschleppt… Rachel !
    Tolland spürte, wie er derb gepackt wurde.
    Dann war nur noch Leere.
64
    Gabrielle Ashe stürmte im Laufschritt in die Nachrichtenredaktion von ABC News. Gleichwohl war sie die Langsamste im ganzen Raum. Hier wurden täglich vierundzwanzig Stunden lang fieberhaft Nachrichtensendungen produziert, aber im Moment ging es in dem Großraumbüro zu wie in einem Börsensaal. Wild um sich blickende Redakteure schrien sich über den oberen Rand der Glastrennwände hinweg an, Reporter rannten mit Faxmeldungen wedelnd von Glaskasten zu Glaskasten, Praktikanten hechelten durchs Gewühl.
    Gabrielle war gekommen, um Yolanda Cole aufzusuchen.
    Yolanda war in der Regel im besseren Viertel des Redaktionsraums zu finden – in einem der mit Glaswänden voneinander abgetrennten Einzelbüros für verantwortliche Redakteure, denen auch einmal ein Moment der Ruhe zum Nachdenken vergönnt sein musste. Heute Abend jedoch steckte Yolanda mitten im Gewühl. Als sie Gabrielle erblickte, trompetete sie ihren gewohnten überschwänglichen Willkommensschrei.
    »Gabs!« Yolanda trug ein Batik-Wickelkleid und eine Schildpattbrille. Wie immer hatte sie sich mit schrillem Modeschmuck behängt wie ein Kirmesgaul. Sie kam herbeigewatschelt. »Küsschen!« Gabrielle schlang die Arme um ihre Freundin. Yolandas gute Laune wirkte ansteckend. Gabrielle ging es schon viel besser. Yolanda Cole, eine sommersprossige Polin mit schütterem Haar, von allen nur »Mama« genannt, war seit sechzehn Jahren Nachrichtenredakteurin bei ABC News in Washington. Ihre matronenhafte Erscheinung und ihre Umgänglichkeit kaschierten die raffinierte Durchtriebenheit und Rücksichtslosigkeit, mit der sie sich Informationen zu verschaffen wusste. Gabrielle hatte Yolanda kurz nach ihrer Ankunft in Washington bei einem Schulungsseminar für Frauen in der Politik kennen gelernt. Sie hatten sich über Gabrielles Werdegang unterhalten, über die Schwierigkeiten, sich als Frau in der Hauptstadt durchzusetzen, und waren schließlich bei Elvis Presley gelandet, für den sie unverhofft ihre gemeinsame Begeisterung feststellten. Yolanda hatte Gabrielle unter ihre Fittiche genommen und ihr geholfen, wichtige Leute kennen zu lernen. Gabrielle kam immer noch alle vier Wochen bei Yolanda auf ein Schwätzchen vorbei.
    Yolanda trat einen Schritt zurück und musterte Gabrielle.
    »Mädchen, du siehst ja um hundert Jahre gealtert aus! Was ist denn los?«
    Gabrielle senkte die Stimme. »Yolanda, ich stecke in der Klemme.«

    »Die Leute draußen sehen das aber anders. Dein Mann ist auf dem aufsteigenden Ast.«
    »Können wir uns nicht irgendwo ungestört unterhalten?«
    »Schlechter Moment, Schatz. Der Präsident gibt in einer halben Stunde eine Pressekonferenz, und wir haben immer noch nicht den geringsten Schimmer, worum es geht. Ich muss Experten für Kommentare heranschaffen. Es ist der reine

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