Meteor
ersparen. Washington ließ grüßen: Es dauerte nicht lange, und der ganze pseudowissenschaftliche und allerweltsphilosophische Quatsch war abgehakt, und es ging zur Sache – der Innenpolitik. Wie Folterknechte, die Salz in Sextons Wunden streuten, ritten die Nachrichtenkommentatoren auf dem herum, was ohnehin mit Händen zu greifen war.
»Vor wenigen Stunden noch befand sich Senator Sextons Wahlkampf auf Höhenflug«, sagte ein Kommentator. »Doch jetzt, nach diesem wissenschaftlichen Durchbruch der NASA, hat er eine Bruchlandung hingelegt.«
Sexton zuckte zusammen. Er griff nach dem Courvoisier und trank den Cognac direkt aus der Flasche. Der heutige Abend versprach der längste und einsamste seines ganzen Lebens zu werden. Er verfluchte Marjorie Tench, weil sie ihn derart über den Tisch gezogen hatte. Vor allem aber verfluchte er Gabrielle Ashe, weil sie ihm das Thema NASA untergejubelt hatte. Er verfluchte den Präsidenten mit seinem unverschämten Glück. Und er verfluchte die ganze Welt, weil sich jetzt jeder über ihn totlachte.
»Keine Frage, der Senator hat eine verheerende Schlappe einstecken müssen«, tönte der Kommentator. »Der Präsident und die NASA haben mit diesem Meteoritenfund einen unverhofften Erfolg verbuchen können. Meldungen dieser Art sind dazu angetan, der Kampagne des Präsidenten neuen Schub zu verleihen, völlig unabhängig davon, welche Position Sexton zur NASA einnimmt. Aber nachdem Sexton heute Nachmittag noch angekündigt hat, er würde der NASA den Geldhahn abdrehen… nun, man kann sich an drei Fingern abzählen, dass die Erklärung des Präsidenten für Sexton ein schwerer Treffer ist, von dem er sich kaum noch erholen kann.«
Man hat mich reingelegt, murmelte Sexton. Die Arschlöcher im Wei ßen Haus haben mich reingelegt.
Der Kommentator lächelte. »Was die NASA bei den Amerikanern in der Vergangenheit an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat, das hat sie heute mit Bravour wettgemacht. Die Wellen der Begeisterung und des Stolzes auf unser Land schlagen hoch bei den Bürgern im Land. Und so sollte es auch sein. Die Leute lieben Zach Herney, aber sie sind unsicher geworden. Zugegeben, der Präsident hat unlängst schwer einstecken müssen. Er war angeschlagen, aber jetzt ist er wieder voll da – wie der Phönix aus der Asche.«
Als Sexton an die CNN-Fernsehdebatte am frühen Nachmittag dachte, wurde ihm beinahe schlecht. Der Sprengsatz gegen die NASA, den er in den letzten Monaten zusammengebastelt hatte, war zum Rohrkrepierer geworden. Er stand da wie ein Depp.
Das Weiße Haus hatte ihm in aller Seelenruhe ein Bein gestellt.
Die Karikaturen in den morgigen Zeitungen standen ihm jetzt schon vor Augen. Er würde die Witzfigur der ganzen Nation abgeben.
Die diskreten Wahlkampfspenden der SFF würden natürlich auch ausbleiben. Ab jetzt war alles anders. Die Männer, die in seiner Wohnung gewesen waren, hatten vor einer halben Stunde ihre Blütenträume den Bach hinuntergehen sehen. Mit der Privatisierung des Weltraums war es nun vorbei.
Sexton genehmigte sich noch einen Schluck, stand auf und ging unsicheren Schrittes zu seinem Schreibtisch. Bedächtig legte er den abgehängten Hörer wieder aufs Telefon, auch wenn er wusste, dass es ein Akt masochistischer Selbstgeißelung war. Er zählte die Sekunden.
Einundzwanzig, zweiundzwanzig…
Das Telefon klingelte. Er ließ den Anrufbeantworter anspringen.
»Senator Sexton, hier spricht Judy Oliver von CNN. Wir wollen Ihnen Gelegenheit zur Reaktion auf die Meldung vom Fund der NASA heute Abend geben. Bitte rufen Sie zurück.« Klick.
Sexton zählte erneut. Einundzwanzig… Es klingelte. Er wandte sich ab und ließ den Anruf über den Anrufbeantworter laufen.
Wieder ein Journalist.
Die Flasche Courvoisier in der Hand, schlenderte er zur Balkonschiebetür, schob sie auf und trat hinaus in die Kühle. Ans Geländer gelehnt, schaute er über die Dächer der Stadt zur hell angestrahlten Fassade des Weißen Hauses. Die Lichter schienen ihm amüsiert zuzuzwinkern.
Sausäcke, dachte er. Seit Jahrhunderten wird nach einem Beweis für Leben in den himmlischen Gefilden gesucht. Und ausgerechnet im Jahr meiner beschissenen Wahl wird dieser Beweis entdeckt! Das war mehr als Glück, das war Hellseherei, verdammt!
Hinter jedem Fenster weit und breit lief der Fernseher. Sexton fragte sich, wo eigentlich Gabrielle Ashe heute Abend steckte. Es war alles nur ihre Schuld. Sie hatte ihn mit einer NASA-Pleite nach der anderen kirre
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