Meteor
betrachtete Rachel mit einem höflichen, aber distanzierten Lächeln. »Mike, ich hoffe, Sie werden mir nicht untreu!«, sagte sie und schaute Tolland an.
In Tollands wettergegerbtes Gesicht schlich sich eine leichte Röte, während er die Damen miteinander bekannt machte. »Norah, ich möchte Ihnen Rachel Sexton vorstellen, Miss Sexton arbeitet im Umfeld der Nachrichtendienste und ist auf Bitten des Präsidenten hergekommen. Senator Sedgewick Sexton ist ihr Vater.«
Norah quittierte die Vorstellung mit einem verwirrten Blick.
»Ich werde nicht einmal so tun, als würde ich das begreifen.«
Ohne den Handschuh abzulegen, gab sie Rachel einen halbherzigen Händedruck. »Willkommen auf dem Gipfel der Welt.«
Rachel lächelte. »Danke schön.« Überrascht bemerkte sie, dass Norah Mangor ungeachtet ihrer harten Stimme angenehme verschmitzte Züge hatte. Ihre braunen Haare waren von grauen Fäden durchzogen, ihre Augen blickten mutig und scharf wie zwei Eiskristalle. Sie hatte eine stählerne Selbstsicherheit, die Rachel auf Anhieb gefiel.
»Norah, haben Sie eine Minute Zeit, Rachel zu erklären, was Sie gerade tun?«, sagte Tolland.
Norah wölbte die Brauen. »Ihr beide nennt euch wohl schon beim Vornamen? Mein lieber Schwan.«
»Was hab ich dir gesagt, Mike?«, stöhnte Corky.
Norah Mangor führte Rachel zum Arbeitsgerüst, gefolgt vom Rest der Gruppe.
»Sehen Sie die Bohrlöcher im Eis unter dem dreibeinigen Gestell?«, fragte Norah und deutete auf mehrere runde Löcher. Ihr ursprünglicher aggressiver Tonfall war einer neuen Stimmlage gewichen, in der sich Begeisterung für ihre Arbeit ausdrückte.
Nickend betrachtete Rachel die etwa dreißig Zentimeter großen Löcher im Eis, in denen jeweils eine Stahltrosse verschwand.
»Diese Löcher stammen noch von den Kernbohrungen für die Proben und die Röntgenaufnahmen vom Meteoriten. Durch diese Löcher haben wir extrem belastbare Schrauben mit Ösen am Kopf eingeführt und unten in den Meteoriten eingedreht. Anschließend haben wir an langen Stahltauen Haken angebracht und uns damit die Ösen geangelt. Jetzt holen wir die Trossen wieder ein. Diese Milchgesichter werden zwar ein paar Stunden kurbeln müssen, bis der Meteorit oben ist, aber er kommt allmählich.«
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte Rachel. »Der Meteorit steckt doch unter Tausenden von Tonnen Eis. Wie kriegen Sie ihn da durch?«
Norah zeigte hinauf zur Spitze des Gerüsts, von wo ein schmales rotes Lichtbündel senkrecht aufs Eis strahlte. Rachel hatte den Strahl zuvor schon bemerkt und ihn für eine Messmarke gehalten, die den Punkt anzeigt, unter dem das Objekt in der Tiefe begraben war.
»Das ist ein Galliumarsenid-Laser«, erklärte Norah.
Als Rachel den Strahl genauer betrachtete, sah sie, dass er durch ein winziges Schmelzloch im Eis weit in die Tiefe drang.
»Der Strahl ist äußerst energiereich und sehr heiß«, sagte Norah. »Wir heizen den Meteoriten zum Hochziehen auf.«
Rachel begriff sofort die geniale Einfachheit des Plans dieser Frau und war beeindruckt. Norah hatte den Strahl so ausgerichtet, dass er sich nach unten bis zum Meteoriten »durchfraß«. Der Meteorit war zu dicht, um ebenfalls zu schmelzen, und heizte sich von der absorbierten Hitze so lange auf, bis das Eis um ihn herum zu schmelzen begann. Wenn die NASA-Mannschaft mit den Winden auf den Meteoriten Zug ausübte, schmolz der heiße Stein sich von selbst einen Kanal nach oben durch das Eis bis hinauf zur Oberfläche. Das Schmelzwasser sickerte einfach am Meteoriten vorbei und sammelte sich unter ihm im Schmelzschacht. Als würde man mit einem heißen Messer durch tiefgefrorene Butter schneiden.
Norah wies auf die an den Winden schuftenden Männer. »Die Generatoren würden diese Belastung nicht schaffen, deshalb muss ich Muskelkraft einsetzen.«
»Das ist doch Quatsch«, rief einer der schwer arbeitenden Männer dazwischen. »Sie hat ihren Spaß daran, uns schwitzen zu lassen. Das ist der Grund!«
»Nun mal langsam«, erwiderte Norah. »Ihr habt euch die ganze Zeit beschwert, dass ihr friert. Das ist jetzt wohl behoben. Und nun macht schön weiter.«
Die Windenmannschaft lachte.
»Wieso stehen hier überall diese Pylonen herum?«, fragte Rachel und deutete auf die rotweißen Absperrhüte, die scheinbar zufällig um das Hebegerüst verteilt waren. Ähnliche Markierungen hatte sie schon an anderen Stellen der Kuppel gesehen.
»Die gehören zur Ausrüstung jedes Glaziologen«, sagte Norah.
»Wir nennen
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