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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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heilt.
    Sollte er sie rufen? Aber er war mehr als vierundzwanzig Stunden nicht zu Hause gewesen, denn bevor er zu den Garagen aufgebrochen war, hatte er einen Plattenbau -einen
    »Termitenhügel«, wie sie es nannten, zwei Blöcke von der Station entfernt - aufgesucht, war bis in den fünfzehnten Stock hinaufgeklettert und hatte dort für eine Weile das Bewusstsein verloren. Die ganze Zeit über hatte Sascha bestimmt kein Auge zugetan - seine Tochter schlief nie, wenn er auf einem Streifzug war. Soll sie sich ausruhen, dachte er.
    Die lügen doch alle. Mir passiert schon nichts.
    Zu gerne hätte er gewusst, was sie gerade träumte. Er selbst konnte nicht einmal im Traum abschalten. Nur selten entließ ihn sein Unbewusstes für ein paar Stunden auf Freigang in die unbeschwerte Jugend; für gewöhnlich jedoch wanderte er selbst im Schlaf zwischen den bekannten toten Häusern mit ihrem ausgekratzten Inneren umher, und ein guter Traum war einer, in dem er eine unversehrte Wohnung fand, voller wundersam erhalten gebliebener Gerätschaften und Bücher.
    Jedesmal, wenn er einschlief, hoffte er in die Vergangenheit zu gelangen. In jene Zeit, als er gerade Saschas Mutter kennengelernt hatte. Als er bereits mit zwanzig die Garnison der Station befehligte. Damals hielten die Bewohner die Metro für eine provisorische Bleibe und empfanden ihre Station noch nicht als kollektive Baracke für die Zwangsarbeit untertage, wo sie eine lebenslange Haftstrafe absaßen.
    Stattdessen jedoch landete er in der jüngeren Vergangenheit. Und zwar mitten in jenen Ereignissen, die sich vor fünf Jahren zugetragen hatten. An einem Tag, der sein Schicksal und, was noch viel schlimmer war, das Schicksal seiner Tochter bestimmen sollte .
    Er stand wieder da, an der Spitze seiner Kämpfer. Er hielt eine Kalaschnikow schussbereit - mit der Makarow, die ihm als Offizier zustand, hätte er sich jetzt nur noch eine Kugel in den Kopf jagen können. Außer den zwei Dutzend MP-Schützen hinter ihm gab es an der Station keinen einzigen Menschen mehr, der ihm treu war.
    Die Menge tobte, schwoll an, rüttelte mit Dutzenden von Händen an der Absperrung. Das anfangs chaotische Stimmengewirr ging allmählich, wie von einem unsichtbaren Dirigierstab geleitet, in einen rhythmischen Chor über. Noch forderten sie nur seinen Rücktritt, doch es würde nicht mehr lange dauern, und sie würden seinen Kopf wollen.
    Dies war keine spontane Demonstration. Hier waren Provokateure von außen am Werk. Er hätte versuchen können, sie zu identifizieren und einzeln zu liquidieren - doch jetzt war es bereits zu spät dafür. Wenn er den Aufstand noch verhindern und an der Macht bleiben wollte, blieb ihm nur eines: das Feuer auf die Menge zu eröffnen. Dafür war es noch nicht zu spät.
    Seine Finger klammerten sich um einen unsichtbaren Griff, die Pupillen unter den geschwollenen Lidern zuckten unruhig hin und her, die Lippen bewegten sich, formten unhörbare Befehle. Die schwarze Lache, in der er lag, wurde mit jeder Minute breiter. Und je mehr sie zunahm, desto mehr wich das Leben aus ihm.
    »Wo sind sie?«
    Etwas riss Homer aus dem dunklen See der Bewusstlosigkeit heraus. Er schüttelte sich wie ein Barsch am Angelhaken, keuchte krampfhaft, starrte den Brigadier mit irrem Blick an. Noch immer türmten sich diese düsteren, zyklopenartigen Kolosse über ihm - die Wächter der Nagornaja
    und streckten ihre langen, vielgliedrigen Finger nach ihm aus; ohne Mühe würden sie ihm die Beine ausreißen oder die Rippen eindrücken. Sie umgaben Homer jedes Mal, wenn er die Augen schloss, und lösten sich nur langsam, ja unwillig wieder auf, wenn er sie öffnete.
    Er versuchte aufzuspringen, doch die fremde Hand, die seine Schulter eben noch leicht gedrückt hatte, packte wieder zu wie jener stählerne Haken, der ihn aus dem Alptraum gezogen hatte. Allmählich atmete er ruhiger und konzentrierte sich auf das zerfurchte Gesicht, die dunklen, wie Maschinenöl glänzenden Augen. Hunter!Lebte er? Homer drehte vorsichtig den Kopf nach links, dann nach rechts: Befanden sie sich etwa noch immer an der verhexten Station?
    Nein, dies war ein leerer, sauberer Tunnel. Der Nebel, der die Zugänge zur Nagornaja verhüllt hatte, war hier kaum noch zu sehen. Hunter musste ihn mindestens einen halben Kilometer weit getragen haben. Beruhigt sank Homer in sich zusammen. Doch zur Sicherheit fragte er noch einmal: »Wo sind sie?«
    »Hier ist niemand. Du bist in Sicherheit.« »Diese Wesen . haben sie

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