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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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nicht im Nebel verirrt hätten. Der Tarif war allerdings nicht höher als gewöhnlich: Weder am Nachimowski prospekt noch an der Nagornaja waren ihnen Dinge zugestoßen, die dort noch nie vorgekommen waren.
    Also lag es gar nicht an den Tunneln, die zur Tulskaja führten? Jetzt waren sie völlig ruhig, doch es war eine unheilvolle, angespannte Stille. Sicher: Hunter konnte die Gefahr auf Hunderte von Metern spüren, selbst an einer ihm unbekannten Station hatte er im Voraus eine Ahnung, was ihn erwartete. Aber war es nicht auch möglich, dass ihn seine Intuition gerade hier verließ - wie es schon mindestens einem Dutzend erfahrener Kämpfer ergangen war?
    Vielleicht barg ja die Nagatinskaja, auf die sie sich nun zubewegten, die Lösung des Geheimnisses. Nur mit Mühe hielt Homer seine Gedanken beisammen - das Lauftempo war zu schnell. Dennoch versuchte er sich vorzustellen, was sie an dieser Station erwartete, die er früher so geliebt hatte.
    Der alte Mythensammler stellte sich vor, dass an der Nagatinskaja die legendäre »Satanische Gesandtschaft« entstanden war oder dass ihre Bewohner von Ratten aufgefressen worden waren, die auf ihrer Nahrungssuche durch eigene, für Menschen unzugängliche Tunnel durch das Metronetz migrierten. Selbst wenn Homer allein unterwegs gewesen wäre - um nichts in der Welt wäre er umgekehrt. In all den Jahren an der Sewastopolskaja hatte er verlernt, den Tod zu fürchten. Und als er zu diesem Marsch aufgebrochen war, war ihm bewusst gewesen, dass es sein letztes Abenteuer werden konnte; er war bereit gewesen, die Zeit, die ihm noch blieb, dafür zu opfern.
    Bereits eine halbe Stunde nach der Begegnung mit den Ungeheuern an der Nagornaja verblassten die Schrecken in seiner Erinnerung. Mehr noch, wie er nun in sich hineinhorchte, begann er auf dem Grund seiner Seele eine undeutliche, zaghafte Regung zu spüren: Irgendwo dort tief unten entstand -oder erwachte - das, worauf er so lange gewartet, wonach er sich so gesehnt hatte. Das, was er bei seinen gefährlichen Expeditionen gesucht hatte, da er es zu Hause nie hatte finden können.
    Nun hatte er einen gewichtigen Grund, den Tod mit aller Kraft hinauszuzögern. Er konnte ihn sich erst erlauben, wenn er seine Arbeit erledigt hatte.
    Der letzte Krieg war heftiger gewesen als alle vorherigen und hatte daher nur wenige Tage gedauert. Seit dem Zweiten Weltkrieg waren drei Generationen vergangen, die letzten Veteranen waren verstorben, und den Lebenden war die Angst vor dem Krieg unbekannt. Der kollektive Wahnsinn, der damals Millionen Menschen ihrer Menschlichkeit beraubt hatte, war wieder ein gewöhnliches politisches Instrument geworden.
    Das fatale Spiel hatte sich mit jedem Tag mehr verselbstständigt, und am Ende blieb keine Zeit mehr, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das Verbot, Atomsprengköpfe einzusetzen, fiel im Eifer des Gefechts unter den Tisch: Im ersten Akt des Dramas hatte man das Gewehr an die Wand gehängt, und im vorletzten wurde nun tatsächlich daraus geschossen. Und dabei spielte es keine Rolle, wer den Abzug zuerst betätigt hatte.
    Alle großen Städte der Erde versanken gleichzeitig in Schutt und Asche. Auch die wenigen, die einen Raketenschild hatten, gingen zugrunde; zwar blieben sie rein äußerlich fast unversehrt, aber Strahlung, chemische Kampfstoffe und biologische Waffen hatten den Großteil der Bevölkerung augenblicklich vernichtet. Die brüchige Funkverbindung, die einige Überlebende unterhielten, riss nach wenigen Jahren endgültig ab. Von nun an endete die Welt für die Bewohner der Metro an den Grenzstationen der erschlossenen Linien.
    War die Erde zuvor bis in den letzten Winkel erforscht und besiedelt gewesen, so hatte sie sich nun wieder in jenen grenzenlosen Ozean aus Chaos und Vergessen verwandelt, als den man sie in der Antike wahrgenommen hatte. Und die winzigen Inseln der Zivilisation versanken eine nach der anderen in seiner Tiefe, denn ohne Öl und Strom verwilderte die Menschheit zusehends.
    Eine Zeit des Unheils brach an.
    Jahrhundertelang hatten Wissenschaftler versucht, das Gewebe der Geschichte aus Fetzen uralter Papyri und Pergamentrollen, aus zerstückelten Kodizes und Folianten vorsichtig wiederherzustellen. Mit der Erfindung der Typografie, dem Erscheinen der ersten Zeitungen hatten die Druckereien an diesem Stoff weitergewebt. In den Chroniken der letzten zwei Jahrhunderte schließlich gab es kaum noch Lücken: So gut wie jede Geste, jeder Zwischenruf derer, die die

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